0316 - Krakenfluch
wenn wir hier in der Gegend sind, dann ist das für Weltenbummler wie uns doch kein echter Tapetenwechsel. Also schwärm mir bitte nichts von einem Urlaub an der Côte d’Azur oder in St. Tropez vor. Dahin fährt doch jeder Franzose, der kein Geld hat. Ich will in die Südsee!«
»Hast du mal diskret auf die Preise gesehen!« sagte Professor Zamorra und lehnte sich in seinem bequemen Schreibtischstuhl zurück. Er hatte gerade die Korrektur eines Manuskriptes für ein neues Buch über die Struktur der Höllenhierarchie beendet und wirkte abgespannt. Der ständige Kampf gegen die Höllengewalten zehrten an ihm mehr, als er sich zugeben wollte.
Nicole Duval, seine Sekretärin, Assistentin und Mitkämpferin gegen das Böse wußte das nur zu genau. Einige Tage Erholung brauchte er jetzt tatsächlich. Doch wo macht ein Professor Zamorra, den die Abenteuer und der Kampf gegen die höllische Schwarze Familie rund um den Erdball jagen, am besten Urlaub?
»Was hältst du von Italien und dem Strand von Rimini?« fragte Zamorra, der gerne einmal seine Finanzen schonen wollte.
»Warum wollen wir dann nicht gleich den hauseigenen Swimmingpool benutzen?« konterte Nicole.
»Oder die Costa del Sol in Spanien?« schlug Professor Zamorra vor.
»Da kannst du gleich ins Freibad gehen. Das ist doch zu überlaufen!« murrte Nicole. »Ich will in die Südsee!«
»Am Strand von Hammamet in Tunis gibt es auch Palmen!« gab der Meister des Übersinnlichen zur Antwort.
»Dann lieber gleich St. Tropez am Baggersee!« fauchte Nicole. »Ich werde…!«
Das Läuten des Telefons unterbrach ihre hitzige Debatte. Professor Zamorra nahm den Hörer von der Gabel.
»Hier Château Montagne. Zamorra am Apparat!« hörte Nicole den Meister des Übersinnlichen sagen. Sie trat einige Schritte zurück, als sie sah, wie Zamorras Gesicht ein gewisses Unverständnis erkennen ließ, je mehr er die Stimme am Telefon hörte. Und sie wußte nur zu gut, warum.
Die zierliche Französin mit der knallengen, nach der neusten Mode gefärbten Jeans und dem knapp sitzenden T-Shirt ging auf Tauchstation, als sie erkannte, daß der Meister des Übersinnlichen auf seinem Schreibtisch nach einem geeigneten Wurfgeschoß suchte.
»… ich habe verstanden, Mademoiselle!« hörte Nicole ihn reden.
»Der Flug geht morgen mittag von Lyon über Rom, Kairo und Bagdad nach New Delhi. Von dort haben wir Anschluß an eine Maschine, die über Bangkok nach Melbourne fliegt. Und hier…!«
»… erwartet uns eine kleine Maschine, die uns nach Suva auf den Fidschis bringt. Und dort habe ich bereits eine Passage auf einem Touristenkreuzer gebucht, der eine fünftägige Kreuzfahrt durch die Wunderwelt der Südsee macht. Die Fidschi- und die Tonga-Inseln. Da, wo unser Freund Clark immer so gern den Winter verbringt!«
»Ja, selbstverständlich, Mademoiselle!« sagte Professor Zamorra mit gefaßter Stimme in die Sprechmuschel. »Meine Sekretärin ist natürlich autorisiert, in meinem Namen zu sprechen und auch finanzielle Verpflichtungen einzugehen. Die Angelegenheit geht schon in Ordnung. Merci beaucop, Mademoiselle. Au revoir!«
Schwer atmend legte Professor Zamorra den Hörer auf die Gabel.
Nicole Duval sah, wie sich der Mann mit dem durchtrainierten Körper und dem markanten Gesicht, dem kein Alter abzulesen war, gemächlich von seinem Schreibtisch erhob. Langsam mit gemessenen Schritten ging er auf Nicole zu.
»Ich meine, daß wir nach den turbulenten Ereignissen in den Staaten doch einige Tage Entspannung verdient hätten!« stieß Nicole hervor, die sich die Reaktion Zamorras nicht deuten konnte. Sie erinnerte sich, daß ihr Vater diesen Gang und diese entschlossene Miene immer an den Tag legte, wenn Klein-Nici irgend etwas ausgefressen hatte.
Ausrücken war da unmöglich. Das Donnerwetter, und das was nachkam, mußte hingenommen werden.
Was Zamorra allerdings vorhatte, war nicht zu erkennen. Einen Rohrstock, wie damals Nicoles Vater, hatte er jedenfalls nicht in der Hand.
»Du wirkst doch zu Tode erschöpft, cherie. Und da habe ich gedacht…!« versuchte Nicole eine Ausrede. Doch Zamorra sagte immer noch nichts. Wie das unbeugsame Fatum kam er näher.
»Du darfst mir die Reise auch vom Taschengeld abziehen… dann schenk ich sie dir zu Weihnachten!« stieß Nicole hervor. »Und ich verspreche dir, in der nächsten Woche auch nichts mehr zum Anziehen einzukaufen. Nicht mal ein klitzekleines Kleidchen…!«
»Das sind jetzt drei Ausreden!« sagte Professor Zamorra
Weitere Kostenlose Bücher