0318 - Die Zombie-Hexe von Tahiti
Bettkante. Sie mußte einen Plan entwerfen, wie sie Zamorra ausschaltete, solange er in ihrem Körper gefangen war. Aber dabei durfte sie ihren eigenen Körper nicht gefährden. Denn so sehr ihr Zamorras Körper gefiel, so sehr sie die Vorstellung erregte, in ihm zu sein, so sehr war sie aber auch Frau und wollte einen männlichen Körper lieber als Frau genießen. Der Gedanke, vielleicht für immer in einem fremden Körper gefangen zu sein, erschreckte sie ein wenig.
Dann aber schalt sie sich eine Närrin. Wovor erschrak sie überhaupt? Mit ihrer Fähigkeit des Seelentausches würde sie niemals an einen bestimmten Körper gebunden sein. Sie konnte ihn jederzeit wechseln. Sie war damit sogar unsterblich geworden. Wenn ihr eigener Körper alt wurde, wechselte sie einfach in einen jungen über und würde ewig leben!
Nichts und niemand konnte sie mehr aufhalten. Ihre Gedanken flogen in eine ferne Zukunft, in der sie mit Mord, Magie und Intrigen eine ganze Welt beherrschte. Und mehr…
Lydie Leclerc lachte triumphierend auf. Es war das Lachen einer Siegerin!
***
»Danke«, sagte Ania Rao, als der weiße Mercedes vor einem kleinen Häuschen stoppte. Es befand sich am Stadtrand, aber etliche Kilometer von der Leclerc-Villa entfernt. Stadtrand war sogar schon übertrieben. Die ersten Häuser der Randgebiete und Vororte von Papeete begannen erst einen halben Kilometer weiter. Die Raos hatten sich hier draußen niedergelassen, wo die Wildnis begann. Nicole kam ins Träumen, wenn sie die paradiesisch anmutende Landschaft im Hintergrund sah. Weit im Landesinnern die Berge, der Dschungel, überall schimmerte es grün und von farbenprächtigen Blumen übersät. Vögel schrien, alles war in ständiger Bewegung.
Das Haus dagegen war still.
Ania hatte angedeutet, daß sie mit ihrem Bruder allein hier lebte. Ob sie sonst noch Verwandtschaft hatten, darüber sprach sie nicht. Nicole schaltete den Motor des Wagens ab und stieg aus.
»Schön haben Sie es hier«, sagte sie. »Eine Gegend wie geschaffen zum Urlaub machen.«
Ania lachte bitter auf. »Was bleibt uns anderes übrig, als ein ganzes Jahr Urlaub zu machen? Mein Bruder findet keine Arbeit, und ich… ich könnte mir mein Geld nur auf der Straße verdienen.«
Nicole hob die Brauen. »Und - wovon leben Sie?«
»Von diesem und jenem«, sagte Ania. »Kommen Sie. Ich hoffe, daß Rao-Toa zu Hause ist.« Sie schritt vor Nicole her. Beim Näherkommen erkannte die Französin, daß an diesem kleinen Häuschen doch nicht alles so eitel Sonnenschein war, wie es von weitem auf den ersten Blick schien. Das Haus war aus Holz, die Farbe blätterte überall herab, und das Dach war beschädigt. Offenbar fehlte es an Geld, um Material für die Schönheitsreparaturen zu kaufen. Das Gärtchen ringsum war sorgfältig gepflegt, aber Einzelheiten deuteten darauf hin, daß hier nicht der Reichtum ausgebrochen war. Hinter dem Haus sah Nicole einen baufälligen Holzschuppen.
»Rao-Toa!« rief Ania. »Bist du da?« Sie öffnete die unverschlossene Haustür. Nicole folgte ihr. Es gab keinen Bodenbelag, keine Tapeten oder gar Anstrich an den Wänden, und das Mobiliar war aus einfachen Brettern zusammengezimmert. In der Wohnküche hing ein Ölgemälde an der Wand; es zeigte einen Mann und eine Frau in mittleren Jahren vor einem großen prunkvollen Bauwerk, ringsum ein gutes Dutzend Kinder.
»Unsere Familie«, sagte Ania. »Das Haus ist die Fantasie des Künstlers. Unsere Eltern haben immer davon geträumt, einmal in einem solchen Haus zu wohnen.«
»Und? Was ist aus Ihrer Familie geworden, Ania?« fragte Nicole.
»Nichts«, sagte Ania nur. »Rao-Toa scheint weg zu sein. Ich möchte wissen, was er jetzt schon wieder anstellt. Er wird doch wohl nicht schon seinen Rachefeldzug begonnen haben?«
Sie sah aus dem Fenster. »Der Schuppen ist offen…« Sie wieselte an Nicole vorbei aus dem Haus. Die Französin folgte ihr. Anias buntes Kleid verschwand gerade durch eine schmale Tür im Schuppen.
Dann ertönte ein Schrei. Aber es war nicht Ania, die schrie. Es war der Angriffsschrei eines Kämpfers.
Ania kreischte, als habe sie den Tod vor Augen.
Alarmiert rannte Nicole auf den Schuppen zu, um Ania zu helfen. Und sie wurde Zeugin eines bizarren, unglaublichen Kampfes.
***
Zamorra fand sich im Körper der Hexe wieder. Seelentausch! Er reagierte blitzschnell, sah sich um und erkannte, daß er allein im Zimmer war. Das war gut. So konnte niemand ihn überraschen. Mit einem Sprung war er an der Tür
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