0318 - Die Zombie-Hexe von Tahiti
und tippen sich an die Stirn.«
»So wie ich«, grinste Leclerc. »Ich glaube immer noch nicht, daß es so etwas gibt.«
»Und das, obgleich du auf Tahiti wohnst?« Zamorra schüttelte den Kopf. »Hör zu, Olivier, du kannst mir nicht erzählen, du hättest nie die Eingeborenen von ihren magischen Riten erzählen hören. Gut, sie sind alle hübsch brav als Christen getauft, aber etwas bleibt aus den Erzählungen der Urahnen immer hängen, und die ganzen polynesischen Inseln und vor allem auch hier die Gesellschaftsinseln wimmeln von unzähligen kleinen und großen Geheimbünden. Wahrscheinlich sind sie so zahlreich wie die Einwohnerschaft der gesamten Südseeinseln und meist so geheim, daß ihre Mitglieder selbst nichts davon wissen…« Er lachte leise.
»Du spöttelst ja selbst darüber«, sagte Leclerc.
»Ich habe mir meine eigene Methode, darüber zu reden, angewöhnt«, erklärte Zamorra. »Mir scheint da fast, als wüßte ich mehr über deine Insel und ihre Bewohner als du, der du seit eh und je hier wohnst.«
»Ihre Frau, Olivier«, wechselte Nicole das Thema. »Warum kommt sie nicht zu uns, wenigstens für ein paar Minuten? Ich denke, wir möchten sie gern kennenlernen.«
Leclerc verzog das Gesicht, als habe er in eine Zitrone gebissen.
»Sie wird schon kommen, wenn sie es für richtig hält«, sagte er. »Sie geht in jüngster Zeit gern ihre eigenen Wege und sucht sich wohl jetzt auch ihre eigenen Bekanntschaften.«
»Das klingt nicht gerade nach glücklicher Ehe«, sagte Nicole. »Verzeihen Sie, wenn ich jetzt zu weit gegangen bin, aber ich…«
»Schon gut. Warum soll ich’s verschweigen? Zum besten steht es im Moment nicht, aber ein kleiner Streit kommt immer mal vor. Aber ich glaube, jetzt muß ich mich wirklich mal wieder um den Rest der Gäste kümmern. Ich kann Lydie nämlich nirgendwo entdecken.« Er erhob sich und nickte den beiden zu. »Wir sehen uns später wieder, ja?«
»Du hast ihn mit deiner Spezialfrage verscheucht«, behauptete Zamorra. »Das sind Probleme, die uns eigentlich nichts angehen.«
»Hast ja recht, cherie… du, die Musik fängt wieder an. Tanzen wir?«
»Meinetwegen. Vielleicht schaffe ich’s dabei, den französischen Konsul anzurempeln. Darf ich bitten, Mademoiselle?«
***
Etwas geschah.
Rao-Toa fühlte die Berührung eines anderen Geistes. Er vernahm Worte, die nicht ausgesprochen wurden, und plötzlich wußte er, daß es der Geist des Alten war, der zu ihm sprach.
Der Alte, der tot war! Der ermordet worden war! Sein Geist, sein magisches Bewußtsein, meldete sich aus dem Jenseits.
»Rao-Toa«, flüsterte die lautlose Stimme. »Du weinst um mich, doch das ist nicht nötig. Weine um jene, die meine Schülerin war und den rechten Pfad verließ. Ich vermochte sie nicht zu halten. Ich war zu schwach, denn sie war meine beste Schülerin, auch wenn sie eine Weiße ist. Sie hat die stärksten Anlagen, die ich jemals sah, aber darum hat sie auch die stärkste Kraft, die sie zum Bösen zieht. Weine um sie, Rao-Toa, denn sie wandelt auf dem Pfad des Bösen, und niemand hält sie auf.«
»Sie hat dich ermordet, Alter«, murmelte Rao-Toa. »Wer ist sie? Sage es mir… wie ist ihr Name?«
»Oh, Rao-Toa«, raunte die Jenseitsstimme. »Du willst Rache nehmen? Ich will keine Rache. Denn ich habe das Ziel meines Seins erreicht, ich bin eins geworden mit dem Allumfassenden. Ich will keine blinde Rache. Unrecht wird niemals zu Recht, wenn man es einsetzt, um anderes Unrecht zu sühnen. Du sollst sie nicht hassen. Deshalb werde ich dir nicht sagen, wer sie ist.«
»Oh, Alter«, murmelte Rao-Toa. »Es ist so furchtbar… ich wollte, du lebtest noch. Ich will ihren Namen wissen, damit wir anderen sie meiden können…«
»Du lügst«, hauchte das Jenseitsbewußtsein. »Du willst rächen, ich sehe es in deinem Herzen. Und dabei hatte ich gehofft, in dir aufgehen zu können… aber so kann ich es nicht. Ich weine um dich, Rao-Toa… du warst nicht mein bester, aber mein liebster Schüler, und nun habe ich auch dich verloren.«
Die Stimme aus dem Jenseits verwehte, und so sehr Rao-Toa sich auch bemühte - er hörte sie nicht wieder. Der Tote hatte sich zurückgezogen.
Im nächsten Moment suchte Rao-Toa die verkohlten Skelettreste des Toten vergebens vor sich. Da war nur Staub, und plötzlich wußte er, daß hier nie ein Skelett gelegen hatte. Es war eine Illusion gewesen, erzeugt vom Jenseitsbewußtsein des Alten, der auf Rao-Toa gewartet haben mußte, um sich ihm
Weitere Kostenlose Bücher