0319 - Der Phantomsender
so weit in die Kristallwälder um den Großen Donner eingedrungen - und noch nie hatte eine Gruppe eine Nacht außerhalb der warmen Höhlen zugebracht, in denen sich die Mitglieder der Sippe, eng um das Heilige Feuer gekauert, dem Schlaf hingaben.
Wie lange würde er die Mädchen noch mit der Versicherung hinhalten können, bald eine, Höhle zu finden?
Schon jetzt blickten sie während der Wanderung immer ängstlicher zu den Lebensfeuern hinauf.
Ruor verspürte zum erstenmal an diesem Tag das Gefühl einer grenzenlosen Einsamkeit.
Vor dreißig Tagen waren sie aufgebrochen, um von den gläsernen Bergen jenseits des Großen Stromes hinüber zu den Windhügeln zu gelangen. Ruor hatte eine Botschaft von seinem Sippenältesten zu dem Ältesten der Nachbarsippe zu bringen.
Das ungeschriebene Gesetz der Skaldale erlaubte niemandem, allein zu gehen; es mußten immer Gruppen sein, um die Überlebenschancen in den schrecklichen Kristallwäldern zu vergrößern - und es mußten stets Mädchen und Jungen sein. Falls sie den Weg nicht mehr zurückfanden, konnten sie eine eigene Sippe gründen.
Nach fünfzehn Tagen war die Botschaft überbracht worden. Sie hielten sich zwei Tage bei der Sippe der Skopolene auf, dann machten sie sich auf den Rückweg.
Am neunzehnten Tag riß beim Überqueren eines schnellfließenden Stromes das von Ufer zu Ufer gespannte Seil, und sie trieben auf ihrem Floß hilflos stundenlang mit großer Geschwindigkeit davon.
Schließlich setzte ein natürliches Wehr ihrer unfreiwilligen Fahrt ein Ende. Zum Glück fanden sie eine Höhle, die von den Heiligen Feuern erwärmt wurde, so daß sie die Nacht überstehen konnten, ohne Schaden zu nehmen.
Am zwanzigsten Tag wurden sie von einer Horde Panzerkugeln erneut in eine falsche Richtung gejagt.
Erschöpft und aus vielen kleinen Wunden blutend, die ihnen die scharfen Blätter des Kristallwaldes zugefügt hatten, ruhten sie sich schließlich in dem labyrinthartigen Höhlensystem eines leeren Feigenbaumes aus.
Später kletterte Ruor auf eine Felsennadel und hielt Ausschau.
Niedergeschlagen stellte er fest, daß sie weit nach Süden abgekommen waren.
Die gewaltige Barriere, deren reines Weiß absolut tödlich war, befand sich jetzt nicht mehr links von ihnen, sondern spannte sich fast von Horizont zu Horizont.
Die Barriere war unüberwindbar.
Auf ihren Schroffen und Kegeln vermochte nicht einmal Speergras zu gedeihen. Manchmal, an besonders klaren Tagen, hatte Ruor beobachtet wie tiefhängende Wolken sich um die Barriere sammelten und weißen, wirbelnden Staub auf ihren Hängen abluden.
Um zu der Sippe der Skaldale zu gelangen, hätten sie die Barriere nach Osten umgehen müssen.
Dazu hatten sie aber keine Zeit mehr.
Ruor schätzte, daß sie etwa fünfundsechzig Tage wandern müßten um an der Barriere vorbeizukommen; bis dahin aber würde sie die Große Kälte eingeholt haben, die alles zum Erstarren brachte.
Es gab noch einen Weg, um schnell heimzukommen: Sie mußten die Kristallwälder der Hochebene des Großen Donners durchqueren, um zum Tal der Flügeljäger zu gelangen, das sich wie ein scharfer Schwerthieb quer durch die Barriere zog.
Nach einer kurzen Beratung entschloß sich die Gruppe, den Weg durch die Kristallwälder ins Tal der Flügeljäger zu nehmen, um in heimatliche Gefilde zu kommen.
Aus den Augenwinkeln erkannte Ruor eine huschende Bewegung. Sofort warf er sich zur Seite und schrie den anderen zu, vorsichtig zu sein.
Die dünne Ranke eines Schlingbaumes zischte haarscharf über seinem Kopf hinweg und senkte sich dann auf Regy hinab, die vor Schreck gelähmt dastand.
Das Mädchen begann zu schreien während sich die würgende Ranke immer enger um ihren Körper schloß und das Mädchen in das Dickicht hineinzuziehen begann, wo der Mund des Fleischfressers wartete. Immer mehr Ranken umklammerten ihr Opfer.
Die beiden Zwillinge begannen mit heftigen Schlägen ihrer Schwerter auf sie einzuhauen: Gehetzt sah sich Ruor nach Hilfe um. Etwa hundert Meter weiter sah er zwei junge Feuerdrachen träge im Abendwind kreisen. Ihre weit ausgespannten Flughäute bewegten sich kaum.
Ruor riß die Flöte aus dem Lederbeutel und blies eine wilde, trillernde Tonfolge.
Die Feuerdrachen hoben die Köpfe. Dann stießen sie einen fauchenden Feuerstrahl aus der pulsierenden Düse zwischen den Flügeln und befanden sich im gleichen Augenblick auch schon ü ber der Gruppe.
Als der Schlingbaum die Gefahr bemerkte, ließ er sofort von seinem Opfer ab
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