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aufrechtzuerhalten, und zuckte nur mit den Schultern. „Das ist sicherer, wenn wir unterwegs sind."
„Sicherer? Unter Soldaten? Und wie kann eine Frau ..."
„Die Männer sind keine Soldaten", gestand Carys unbehaglich und erinnerte sich plötzlich daran, wie Deri und Telor angezogen gewesen waren, als man in das Speisehaus gekommen war. Und sie merkte, dass weder der Wirt noch dieses Mädchen wussten, dass es sich bei Telor, Deri und ihr um Schausteller handelte.
„Das war es, was Papa gesagt hat, nachdem er den . . .den kleinen Mann gesehen hatte", unterbrach das Mädchen. „Er hatte schon halb vor, euch dem Landvogt zu melden, aber ich habe ihn daran erinnert, wie der große Mann zu meiner Verteidigung gekommen ist. Er ist beunruhigt, weil Lord William in der Stadt ist..."
„In dieser Hinsicht muss er nicht beunruhigt sein", versicherte Caiys, ihrerseits das Mädchen unterbrechend. „Telor, der große Mann, war bei Lord William, um ihm seine Aufwartung zu machen. Das kannst du deinem Papa sagen, falls ihn das beruhigt."
„Du gehörst zu Lord Williams Haushalt?"
„Nein", antwortete Carys gedehnt und war nicht sicher, ob sie gestehen solle, dass Telor, Deri und sie Schausteller waren. Sie begriff jedoch, dass sie das tun musste, wenn sie auf dem Hof des Speisehauses üben wollte. Das war keine Entscheidung, von der sie meinte, das Recht zu haben, sie zu treffen. Daher fuhr sie fort: „Wir gehören nicht zu Lord Williams Haushalt, aber Telor wird manchmal von ihm beschäftigt."
„Der . . . kleine Mann nicht?"
„Deri. Er heißt Deri", stellte Carys ihn, plötzlich sehr nachdenklich geworden, vor.
Um zu verbergen, was ihr durch den Sinn ging, fügte sie an: „Und mein Name lautet Carys. Wie heißt du?"
„Ich werde Ann genannt", antwortete sie lächelnd. „Was macht Deri?"
Die Rückkehr zu diesem Thema bestätigte Carys, dass die Vermutung, einen eifrigen Unterton in Anns Stimme gehört zu haben, als das Mädchen von dem „kleinen Mann" geredet hatte, der Wahrheit entsprach. Ihr war auch aufgefallen, dass das Mädchen nicht „Zwerg" gesagt hatte, und hatte angenommen, der Grund dafür sei, dass Ann das Wort hasste. Aber jetzt kam es ihr dumm vor, nicht registrieren zu wollen, dass Ann natürlich an Deri interessiert war, wenngleich sie wusste, dass viele Zwerge aus einer Art von Selbstverachtung ihresgleichen aus dem Weg gingen.
„Deri macht alles Mögliche", antwortete sie auf Anns Frage. „Weißt du, wir sind drei Freunde, und jeder von uns tut das, was für uns zum größten Vorteil ist. Manchmal gibt Deri vor, Telors Diener zu sein - auch ich tue das - , aber wir sind nicht seine Dienstboten, sondern miteinander befreundet."
Ann lachte und blickte in den Topf, in dem sie während des Gesprächs hin und wieder gerührt hatte. „Du bist auf eine sehr besondere Weise Telors Freundin. Ich habe dich gehört, ehe wir gestern Abend dicht gemacht haben, nachdem Deri fortgegangen ist. Wird er - ich meine Deri - wiederkommen? Bist du auch seine Freundin?"
„Nein!" rief Carys aus. Ann hatte sie, als sie diese Frage stellte, pfiffig angeschaut, und nach ihrer heftigen Antwort erstarrte das Gesicht des Mädchens. Angesichts dieser Miene, die zum Ausdruck brachte, was Ann dachte, fuhr Carys hastig und ärgerlich fort: „Ich bin keineswegs deshalb nicht Deris Freundin, weil er ein Zwerg ist. Ich habe ihn gern. Ich könnte ihn nicht lieber haben, wäre er mein Blutsverwandter. Er ist der beste und freundlichste Mann, den es gibt. Aber ich bin keine Hure! Ich liege nicht jedem Mann bei, mit dem ich Umgang habe. Telor ist mein Mann, und nur er!"
Anns Gesicht lief hochrot an, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. „Verzeih mir!
Wie konnte ich so etwas sagen! Aber . . . aber ich kann nicht umhin, neidisch auf etwas zu sein, das ich nie haben werde."
Das Mädchen begann zu zittern, und erneut hielt Carys es fest. „Komm von dem Schemel herunter, und lass mich in dem Topf rühren, ehe du hineinfällst. Und es hat keinen Sinn, mich so finster anzusehen. Ich bin nicht so dumm zu denken, dass
,kleine Leute' zu nichts taugen. Auch ich würde in den Topf fallen, wäre ich so außer mir wie du."
„Nun, welchen Nutzen hat ein Zwerg, abgesehen davon, dass er mit Spielleuten umherzieht und Zielscheibe des Spottes wird?" fragte Ann verbittert, während Carys ihren Platz einnahm.
Nachdem Carys den Kochlöffel aus dem Topf gefischt und dessen Inhalt flüchtig umgerührt hatte, fragte sie ihrerseits
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