Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

032

Titel: 032 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Seiltänzerin
Vom Netzwerk:
ziemlich betrübt: „Denkst du von allen Gauklern so schlecht?"
    „Ich nehme Anstoß daran, dass man mich ärgert und quält, weil ich nicht so hoch gewachsen bin wie andere Leute."
    „Es stimmt, dass manche Zwerge schlecht behandelt werden", räumte Carys ein. „Doch die meisten von ihnen, diese armen Dinger, taugen zu nichts anderem. Ich meine, sie sind närrisch. Wenn die Gaukler sie nicht zu sich genommen hätten, wären sie dem Hungertod überlassen gewesen. Wäre das besser? Außerdem müssen kluge Zwerge nicht den Narren spielen. Viel öfter machen sie andere Leute zum Narren, es sei denn, sie sind zu faul, ihren Verstand zu benutzen oder einige Kunststücke zu erlernen."
    „Mein Vater sagt, dass alle Zwerge grausam und unehrlich sind. Ich weiß, dass mehr als eine Truppe ihm Geld dafür geboten hat, dass ich mit den Leuten ziehen darf."
    Die Tränen, die an Anns Wimpern gehangen hatten, rannen ihr über die Wangen.
    „Ich wollte weg", sagte sie schluchzend. „Meine Schwester wurde verlobt, und ich bin die Ältere von uns beiden, aber Papa hat gesagt, er habe nicht genügend Geld, um mir einen Ehemann zu kaufen, und selbst wenn er seinen Laden und alles andere beleihen würde, sei es wahrscheinlich, dass der Mann mich misshandeln würde, weil ich bin, was ich bin."
    „Du bist nicht dazu ausgebildet, Mitglied einer Schaustellertruppe zu sein", stellte Carys fest.
    „Aber was gäbe es sonst für mich?" rief Ann aus. „Alles, was mir noch bleibt, wäre, Dienerin im Haus meiner Schwester zu sein, wenn meine Eltern tot sind -falls sie barmherzig genug ist, mich aufzunehmen. Aber Papa hat mir nicht erlaubt, mich einer Schaustellertruppe anzuschließen. Er meinte, das sei kein Leben."

    „Es ist ein sehr hartes Leben", sagte Carys. „Schausteller werden mit Freudengeschrei begrüßt, sind aber nicht wirklich willkommen, wo immer sie auftauchen. Meistens sind sie im Sommer dreckig, erhitzt, verstaubt und durchnässt, und im Winter halb erfroren, und zu jeder Jahreszeit hungrig, und alle Leute schauen sie argwöhnisch an, als rechne man damit, dass man bestohlen oder zum Narren gehalten wird, und manchmal gibt es für den Argwohn einen guten Grund . . . Und dennoch bietet dieses Leben Freude. Es gibt weniger Männer und noch weniger Frauen, die wissen, dass ihre Arbeit anderen Menschen Freude bereitet, so viel Vergnügen, dass die Zuschauer ihre hart verdienten Pennys hergeben, um etwas zu sehen und zu hören, was sie nicht satt macht, ihnen nicht zu Kleidung verhilft oder ihnen ein Dach über dem Kopf verschafft."
    „Wieso weißt du so viel über Schausteller?" fragte Ann.
    Carys ließ sich etwas Zeit, um gründlicher in dem Topf zu rühren. Ihr war ein Gedanke gekommen, als Ann ihr erklärt hatte, welch geringe Zukunftsaussichten sie habe. Ursprünglich hätte sie sie trotzdem eindringlich davor gewarnt, sich einer Schaustellertruppe anzuschließen. Ann schien nicht den schlagfertigen, verbitterten Witz eines „gescheiten" Narren zu haben, und ohne ihn oder die Fähigkeit, Purzelbäume schlagen oder jonglieren zu können, würde das Mädchen bestenfalls zur Zielscheibe grausamer Scherze und Hänseleien. Schlimmstenfalls erlitte es ein Schicksal, bei dessen Vorstellung Caiys ein Frösteln über den Rücken rann. Es wurde vielleicht immer wieder an solche Männer verkauft, die es nach Kindern gelüstete -
    zumindest so lange, wie es den grausamen Missbrauch überlebte.
    Aber Carys wollte kein Bild zeichnen, das das Leben eines Schaustellers in so finsteren Farben malte. Falls Deri Gefallen an Ann fand und wollte, dass sie sich ihm, Telor und ihr anschloss, dann wäre das etwas ganz anderes. Telor würde Deri nicht verbieten, das Mädchen mitzunehmen, falls der es haben wollte, und außerdem konnte es für sie drei von Vorteil sein. Vielleicht konnte Ann dazu ausgebildet werden, mit Deri ein kurzes Schauspiel aufzuführen, oder sie konnte sehr einfache Jongleurakte erlernen, oder ein bisschen singen, oder sie stand einfach nur herum und staunte über Deris Possen. Selbst wenn sie nichts erlernte, würde es schon eine Attraktion sein, zwei Zwerge zu haben, und es würde Deris Auftreten als Telors Diener nicht schaden, denn Ann konnte sich einfach als seine Frau ausgeben. Und wenn Deri sie mochte, würde sie so umsorgt werden, wie das bei wenigen Frauen der Fall war. Andererseits konnte Deri, ganz gleich, wie sehr er sich um das Mädchen kümmerte, es nicht vor den Beschwernissen des Lebens auf der Straße

Weitere Kostenlose Bücher