032
Seiltänzerin noch hier war? Falls er blieb, bestand die Möglichkeit, dass sie ihn sah, wusste, dass er in Sicherheit war und sich weigerte, nach Marston zu gehen. Dann würde keiner
seiner Leute dort sein. Am besten ließ er den Mann in den Kerker werfen.
Schon im Begriff, einen Mann, der ein hartes Gesicht hatte und in einem düsteren Winkel des Raums an der Wand lehnte, zu sich zu winken, entschied er sich anders.
In diesem Moment betrat Deri das Zimmer, und durch seine Bewegungen gerieten die Flammen der neben der Tür brennenden Kerzen ins Flackern. Das metallbesetzte Lederhemd glitzerte im Licht, so dass man sah, wie die Säume der Ärmel und des Oberteils aufgetrennt worden waren, damit die breiten Schultern Platz hatten.
Wortlos starrte Lord William ihn an und schloss dann die Augen, während er seinen Zorn unter Kontrolle brachte.
Und dann erinnerte sich Lord William daran, dass die Seiltänzerin nicht an dem Zwerg interessiert war. Es war der Barde, der ihr Liebhaber war. Sie hatte ohnehin dadurch, dass sie hergekommen war und diesen Plan ersonnen hatte, dem Zwerg schon getrotzt, so dass dieser keinen Einfluss auf sie haben konnte.
„Ich habe alles gesagt, was ich weiß, mein Herr." Deri verbeugte sich ruckartig. „Ich bitte dich, mir die Erlaubnis zu geben, mich entfernen zu dürfen."
Die Augenbrauen hochziehend, starrte Lord William ihn an. „Du dreister kleiner Mann", erwiderte er. „Viele Leute schätzen meine Gesellschaft nicht, aber wenige teilen mir das so unumwunden mit. Was ist es, das dich so stark von mir treibt?"
„Mein Freund Telor, Herr", brachte Deri heraus und schluckte schwer. „Ich habe Marston beobachtet..."
„Von wo aus?" fragte Lord William, plötzlich militärische Möglichkeiten ahnend und die Verärgerung verdrängend.
„Es gibt ein verlassenes Gehöft, das durch einen schmalen Streifen Waldes von Marston Manor getrennt ist."
„Wie lange braucht man, um ihn zu durchqueren?" unterbrach Lord William wieder.
„Und könnten Männer auf dem Bauernhof warten? Könnte man von der Straße her ein Signal hören?"
„Die Durchquerung des Waldes? Das dauert nicht lange, weniger als eine Viertelstunde, wenn man langsam geht. Männer könnten auf dem Bauernhof warten, aber nicht im Wald, denn das Gehölz ist nicht dicht genug, um sich darin zu verstecken. Näherte man sich Marston zu sehr, könnte man von dort aus entdeckt werden. Und was das Signal betrifft, so bin ich nicht sicher, ob man es hören würde, doch der Pfad von der Hauptstraße zum Bauernhof ist nicht lang und liegt auch außerhalb der Sicht vom Herrenhaus her. Ein Mann könnte ihn entlangreiten und so schnell einen Angriffsbefehl an die im Gehöft versteckten Männer überbringen."
Lord William lehnte sich im Armstuhl zurück, und seine gute Laune war wieder hergestellt. „Du hattest also doch mehr zu erzählen", sagte er und drehte dann den Kopf zur Seite. „Schick Andrew her. Ich will, dass er übersetzt, damit kein Fehler unterläuft."
Misstrauisch beobachtete Deri, wie der Wächter, die Hände ballend und öffnend, aus dem Schatten trat. Lord William lächelte. Der Zwerg würde aus dem Weg sein, und selbst wenn er die Seiltänzerin und die winzige Frau in das Herrenhaus gehen sah, würde er viel zu weit weg sein, um irgendetwas unternehmen zu können. Und es würde so unterhaltsam wie die Darbietung eines Theaterstücks sein, die Wut des Barden und des Zwerges zu sehen, wenn sie merkten, dass ihre Frauen gekommen waren, um sie zu retten.
Der Schreiber kam in den Raum und stellte sich, nachdem er den Auftrag zum Übersetzen bekommen hatte, neben Deri, der sich entspannte, die Stellung jedoch leicht veränderte, so dass er jede Bewegung des Wächters sehen konnte.
„Du hast deine Dienste angeboten" sagte Lord William in Französisch, und der Schreiber wiederholte fast gleichzeitig die Worte in Englisch. „Was ich will, ist, dass du einen Trupp Männer zu dem Bauernhof bringst. Falls du in das Herrenhaus willst, kannst du mit ihnen gehen, wenn sie die Mauer erstürmen."
„Aber Telor ..." begann Deri.
„Sei kein Narr", schnitt Lord William ihm das Wort ab. „Falls dein Freund entdeckt werden sollte, wird man ihn entweder sofort töten, was du nicht verhindern kannst, ganz gleich, wie schnell du losrennen würdest, um dein Leben wegzuwerfen, oder man wird ihn gefangen nehmen, um morgen das Urteil über ihn zu sprechen. In diesem Fall ist es wahrscheinlicher, dass er durch unseren Angriff
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