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eigene, indem er Männer dazu brachte, sich fest dem Anliegen seines Vaters zu verschreiben, so dass sie in Zukunft nicht wagen würden, sich Stephen anzuschließen. Weder die Wahrheit noch Verständnis sollten ihm bei diesem Vorhaben im Wege sein.
6. KAPITEL
Als Deri den Stall betrat, traf er Carys dabei an, dass sie ihre schmutzigen Hände betrachtete. Ihr Stirnrunzeln belustigte ihn, weil er daran dachte, wie unbekümmert sie, als man sie von der Straße mitgenommen hatte, über ihr ungepflegtes Äußeres gewesen war. Er hielt sich jedoch vor, ungerecht zu sein. Sie hatte andere Sorgen gehabt, als man sie gefunden hatte. Außerdem bemerkte er, dass die drei Reittiere abgerieben worden waren, und dachte sich, dass sie das getan hatte, da der faule Arne nie mehr machte, als von ihm verlangt wurde. Und das war gewesen, ihr zu zeigen, wie man Pferde trocken rieb.
„Du hättest dich nicht um die Tiere kümmern müssen", sagte Deri leise, obwohl jetzt nur noch ein Stallknecht sich beim Stalleingang aufhielt. „Ich habe Arne nur gebeten, dir zu zeigen, wie man Pferde abreibt, damit die Stallburschen glauben, dass du ein Junge bist."
Carys lächelte Deri an. „Es hat mich nicht gestört. Das war ein Dienst, den ich erweisen konnte, eine kleine Wiedergutmachung für alles, was ihr für mich getan habt. Außerdem mag ich Tiere. Ich glaube, auch sie mögen mich. Das Einzige ist nur, dass ich mir die Hände schmutzig gemacht habe, und mein Gesicht ist wohl auch voller Dreckspritzer. Das wird Telor nicht gefallen. Kann ich mich irgendwo waschen, ehe er zurückkommt?"
In Gedanken wiederholte Deri: „Das wird Telor nicht gefallen. " Er gelangte zu der unlogischen, aber schon zuvor gezogenen Schlussfolgerung, dass Carys ein Faible für seinen Begleiter entwickelt hatte. Er war ein wenig neidisch auf dessen Fähigkeit, Frauen anzuziehen, doch sein Neid war allgemeiner Natur. Er hatte kein besonderes Interesse an Carys, abgesehen von dem Mitgefühl über die grobe Behandlung, die sie hatte hinnehmen müssen, und einem wachsenden Gefallen an ihr als Person. Er fand ihr spitzes
Gesicht und ihren dünnen, harten Körper nicht attraktiv. Seine Frau war auch klein gewesen, wenngleich plump und vollbrüstig und mit runden Hüften. Sie war sehr lieb und sanft gewesen, was Carys nicht war. Aber er bewunderte die stoische Art, wie Carys Schmerzen und Kummer hinnahm, und ihre Bereitschaft, fröhlich zu sein und an dem Gefallen zu finden, was immer für sie erreichbar war. Alles in allem genommen, wünschte er Carys alles Gute und meinte, für sie sei es das Beste, sich von Telor zu trennen, ehe sie noch mehr an ihm hing.
Bei diesen Überlegungen hatte er sie zum Brunnen geführt und einen Eimer Wasser für sie geschöpft. Nachdem ihre Hände und das Gesicht sauber waren, jedenfalls so sauber, wie sie durch kaltes Wasser werden konnten, ging er mit ihr in Richtung der Zugbrücke, über die man in den unteren Hof kam. Sie lief auf beiden Füßen, hinkte jedoch stark. Er schlug ihr vor, sie solle sich auf seine Schulter stützen, wie auf eine Krücke, was sie dann auch dankend tat. Sie hielt den Kopf gesenkt und stellte sicher, dass die Kapuze ihr Gesicht verschattete, während man an der Wache vorbeiging, doch entweder erkannte der Mann sie nicht, oder er hatte sich Telors Warnung zu Herzen genommen.
Beim Überqueren der Zugbrücke sagte Deri: „Ich denke nicht, dass du behaupten solltest, Telors Lehrling zu sein, es sei denn, eine Wache versucht, dich zu überrumpeln, oder aus einem anderen triftigen Grund."
„Warum sollte eine Wache versuchen, mich zu überrumpeln?" fragte Carys verwundert.
„Niemand wird das tun", antwortete Deri. „Ich habe nur versucht, ein Beispiel für das Schlimmste zu nennen, was passieren kann, eine Situation, in der du Telors Schutz haben müsstest. Was ich dachte, war, dass Fahrensleute, wenn du dich einer der hier auftretenden Truppen anschließen willst, nicht denken sollten, du seist irgendwie an Telor gebunden."
Das war ein guter Grund. Rasch nickte Carys zustimmend. Sie wollte nicht auf Telors Erlaubnis, ihn verlassen zu dürfen, angewiesen sein, fragte sich jedoch unwillkürlich, warum der Zwerg dieses Thema angeschnitten hatte. Um sie schnell los zu sein.
Aber warum wollte er sie schnell los sein? Eifersucht? Eigenartigerweise kam Carys dieser Gedanke im Zusammenhang mit ihm abwegig vor. Telor und er standen auf wirklich gutem Fuß miteinander und waren nicht wie Herr und Diener oder wie
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