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klare, kalte dunkelbraune Augen richteten sich einen Moment lang auf ihn, ehe die Lippen zu einem Lächeln verzogen wurden. „Das stimmt, Sänger, aber ich wollte nichts Abträgliches über Sir Richard sagen. Zufällig liebe ich Worte auch mehr als Schwerter. Ich kenne dich nicht, aber ich glaube, deinen Meister zu kennen. Ist das nicht der Barde Eurion?"
„Ja, Herr", bestätigte Telor.
„Ein großer Künstler." Lord William richtete den Blick einen Moment lang auf de Dunstanville. Dann sah er wieder Telor an und nickte. „Ich hoffe, er lebt noch und es geht ihm gut. Ich habe ihn seit einigen Jahren nicht mehr gesehen."
„Es geht ihm sehr gut, Herr", erwiderte Telor und errötete vor Vergnügen. „Aber er ist zu alt geworden, um noch zu reisen. Sir Richard hat ihm in Marston in seinem Haushalt einen Platz zugewiesen, wo er jetzt lebt."
„Hätte ich gewusst, dass er nicht mehr fahrender Sänger sein will, hätte ich ihm einen Platz in meinem Haushalt angeboten." Lord William wirklich ehrlich neidisch.
„Du musst mir irgendwann erzählen, wo er dich gefunden hat. Und ich möchte dir sagen, dass mir dein letztes Lied gefallen hat. Kennst du noch mehr solche Lieder?"
„Gewiss, Herr", antwortete Telor eifrig.
„Gut! Wir müssen einen Zeitpunkt finden, an dem ich dir zuhören kann. Vielleicht kommst du irgendwann nach Shrewsbury, wenn ich dort bin, und dann können wir über deine Lieder reden. Aber ich will dich jetzt nicht länger aufhalten. Da am Tisch ist Platz für dich. Geh jetzt und besorg dir etwas zu essen. Ich werde später mit dir weiterreden."
Es stand einem Gast nicht zu, einen solchen Befehl zu erteilen, doch de Dunstanville erhob keinen Einwand und nickte sogar Telor lächelnd zu. Der Earl of Gloucester war nicht mehr jung, und Lord William würde enorm viel Macht haben, nachdem er den Grafentitel geerbt hatte. Wenngleich stimmte, dass er kein solcher Krieger war wie sein Vater, würde er die Grafschaft halten und wahrscheinlich auch seine Macht und seinen Landbesitz vergrößern. Schon jetzt hatte er sehr viel Einfluss. Seine Männer fürchteten ihn mehr, als sie seinen Vater fürchteten, und gehorchten ihm mit der gleichen Selbstverständlichkeit. Einige hatten das jedoch nicht getan, und sie waren - irgendwie - zu Tode gekommen.
„Welche Nachrichten hast du von jenseits des Ärmelkanals, Mylord?" erkundigte sich de Dunstanville.
„Gute", antwortete Lord William lächelnd. „In der Normandie herrscht Frieden, so dass meine Tante, die Königin Matilda, viel geneigter ist, dem Rat meines Vaters zu folgen und Prinz Hemy nach England zu bringen.
Niemand könnte etwas anderes als zufrieden mit König Henrys Enkel sein oder ihn als Thronerben gar für ungeeignet halten."
Nach der Bemerkung, Königin Matilda würde Prinz Henry nach England bringen, war eine kurze Stille eingetreten, in der Lord William düster an die Ereignisse gedacht hatte, die vor nunmehr acht Jahren begonnen hatten und jetzt in beinahe vollständiger Anarchie resultierten. Er empfand eine gewisse Sympathie für de Dunstanville und konnte gut begreifen, warum dieser es vorzog, neutral zu bleiben.
Nichtsdestoweniger wirkte sein Lächeln etwas bedrohlich, als er nach de Dunstanvilles zögernd vorgebrachtem Einwand, es sei bestimmt noch zu früh, Prinz Henry nach England zu bringen, nachdrücklich den Kopf schüttelte.
„Der Junge ist erst neun Jahre alt", fügte de Dunstanville unsicher hinzu. „Falls die Königin nicht die Absicht hat, als Regentin zu herrschen, und falls dein verehrungswürdiger Vater Regent wäre, bis Prinz Henry volljährig ist, könnte natürlich ..."
„Das ist eine der Fragen, die nicht geklärt werden können, bis der Junge hier ist und von Männern wie dir begutachtet wurde, damit die Barone ihn ihrer starken und aufrichtigen Unterstützung versichern können", log Lord William glatt.
Es störte ihn nicht im Mindesten zu lügen. Er hatte seit langem voller Verachtung die strikten Gebote der Religion abgetan, und dennoch war er nicht von Gott gestraft worden. Und was die Hölle anging, so erwartete er, dass es leicht genug sein würde, sich durch posthum gelesene Messen aus ihr freizukaufen, so wie er jetzt für die Vergebung seiner Sünden zahlte. Außerdem würde er sich nicht von seinem ihm vom Verstand eingegebenen Verständnis für de Dunstanvilles Position in seinem Verhalten beeinflussen lassen. Seine Absicht war es, die Macht seines Vaters zu vergrößern, und somit auch die
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