032
beschäftigt, Lobeslieder über die Ahnen oder die Ritter zu singen, die ihn dafür bezahlten, dass er ihr Barde war. Nach dem Lanzenstechen rief de Dunstanville ihn zu sich, damit er ein zündendes Kriegslied sang. Er trug eine lebhafte und mitreißende Ballade über die Schlacht bei Hastings vor, bei der die Vorväter dieser Normannen das Land erobert hatten, das sie jetzt beherrschten.
Danach winkte er Deri zu sich und entfernte sich mit ihm weit vom Turnierfeld zu einer Stelle, wo der Lärm nicht so ohrenbetäubend war. Er war nicht daran interessiert, den Zweikämpfen zuzusehen, und wusste, er würde erst später wieder gerufen werden.
„Wir müssen beschließen, was wir als Nächstes tun sollen", sagte er.
„In welcher Hinsicht?" fragte Deri. „Carys?"
Scharf schaute Telor den Freund an. Die Seiltänzerin war ihm nicht aus dem Sinn gegangen, obwohl er sie, seit er sich im Stall von ihr getrennt hatte, nicht mehr gesehen hatte. Dauernd hatte er ihr kleines Gesicht mit den großen Augen, ihr wild gelocktes Haar in Gedanken vor Augen gehabt, wenn er die stolzen, mit Juwelen behangenen edlen Damen unterhalten hatte. Carys' Bild hatte ihn dazu veranlasst, seine Liebeslieder schmelzender und süßer vorzutragen und hin und wieder sogar leidenschaftlicher, indes auch dazu geführt, dass er den Blicken seiner Zuhörerinnen ausgewichen war. Er ärgerte sich gründlich über sich selbst, weil er sich vorhielt, dass Carys inzwischen bereits mit einer der Gauklertruppen, die in der Burg auftraten, eine Absprache getroffen haben musste. Und selbst wenn das nicht der Fall war, selbst wenn man gemeinsam weiterzog und sie sich irgendwann bereit zeigte, sich mit ihm zu einer Tändelei einzulassen - was hatte das damit zu tun, wenn er sich ab und zu einen anderen Leckerbissen genehmigte?
Es war beinahe eine Erleichterung, sich vorzuhalten, welches Risiko er mit Lady Marguerite eingegangen war, doch tief im Herzen wusste er, dass das nur ein Vorwand war, um die bedeutungslosen Tändeleien mit anderen Frauen einzuschränken. Er war schon zuvor dadurch in Gefahr geraten, dass er mit vornehmen Damen geschlafen hatte, und jedes Mal hatte er sich geschworen, es nicht mehr zu tun. Aber jedes Mal hatte er die Gefahr abgetan, nachdem der erste Schreck sich gelegt hatte.
Indes machte er sich Gedanken über seine Einkünfte. Selbst die Damen, die nie in Betracht gezogen hätten, sich ihm hinzugeben, reagierten auf seine Bewunderung oft mit großzügigen Geschenken. Schlimmer noch als die Aussicht, diese Gaben einzubüßen, war jedoch das unbehagliche Gefühl, dass er in der Vergangenheit sich und nicht seine Kunst verkauft hatte, wie jede Hure das tat. Zum Glück waren wenige große Damen in der Stimmung für eine Liebelei, und seine Zurückhaltung stellte sicher, dass er nicht weiter um seine Gunstbeweise gebeten wurde.
Da Carys ihn so tief beunruhigte, erwähnte er sie Deri gegenüber nie. Er versuchte nicht, sein Interesse an ihr zu verhehlen, aber er wollte, so dumm das vielleicht auch war, vermeiden, hören zu müssen, sie habe sich bereits einer Schaustellertruppe angeschlossen und sei bereit, ihn und Deri zu verlassen.
Nach der Frage seines Begleiters war er jedoch erschüttert und beunruhigt. Er erinnerte sich, dass schon einmal, als er damit gerechnet hatte, Deri werde in eine düstere Stimmung geraten, etwas, das mit Carys zu tun hatte, dazu geführt hatte, dass der Zwerg nicht so niedergeschlagen gewesen war.
Unüberlegt platzte er heraus: „Was meinst du mit ,Caiys'? Willst du etwas von ihr?"
„Großer Gott, nein!" antwortete Deri. „Sie ist mehr Junge als Mädchen und gar nicht wie meine Mary." Bei den letzten beiden Worten war ihm die Stimme gebrochen, doch zu Telors Überraschung versank Deri nicht in Schweigen oder stand auf und rannte weg, sondern räusperte sich und fuhr fort: „Ich mag Carys. Sie ist nicht habgierig oder fürchtet sich vor harter Arbeit. Sie ist auch grausam benutzt worden, hat jedoch dadurch nicht ihr offenbar reizendes Wesen verloren. Ich glaube, sie war einmal etwas Besseres und ist tief gesunken."
Telor erinnerte sich des von Carys ausgegangenen Gestanks und ihrer Verdrecktheit, als er und Deri sie gefunden hatten. Er hatte sich gesagt, sie würde bald wieder so ungepflegt sein. Sie wisse es nicht besser, und es sei sein dummes Verlangen, das bei ihm den Eindruck erweckt hatte, sie drücke sich gepflegter aus und benähme sich sittsamer. Aber jetzt hatte Deri, der nicht durch Lust
Weitere Kostenlose Bücher