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mehr oder weniger mit dieser Reaktion gerechnet und war schon in der Scheune. Ihr verärgertes, herausforderndes Gelächter hallte bis auf den Hof. Da man sie so unverblümt bedroht hatte, konnte das nur bedeuten, dass die Leute in der Absicht hergekommen waren zu stehlen. Hätte sie sich in einer anderen Situation befunden, wäre ihr das gleich gewesen, aber sie war überzeugt, dass man sie der Diebstähle beschuldigen würde, wenn sie sie nicht verhinderte. Und die Tatsache, dass sie keinen der gestohlenen Gegenstände bei sich hatte, wenn man sie durchsuchte, war ihr keine Hilfe, und es hätte auch wenig Zweck, nach dem Diebstahl die anderen Fahrensleute zu beschuldigen. Da sie hinreichend Zeit gehabt hätte, die entwendeten Sachen zu verstecken, würde man sie befragen, wo sie seien, ganz gleich, wen sie beschuldigte. Zweifellos würde der Burgherr auch die anderen Fahrensleute befragen, doch sie war sicher, dass sie dann schon tot oder verkrüppelt war. Die Entdeckung, dass sie die Wahrheit gesagt hatte, würde ihr dann nichts mehr nützen.
Bis die Männer in der Scheune waren, hatte sie schon einen Pfosten erklettert und hockte immer noch lachend auf einem Dachsparren. Der schmächtigste der drei Männer, der wahrscheinlich Akrobat war, erklomm rasch den Pfosten, doch sie kam, als er noch auf halbem Wege war, auf die Füße und sprang behänd zum nächsten Sparren. Sie verfluchend, rutschte er herunter und wusste, es war sinnlos, sie zu verfolgen.
„Dämliche Narren", rief sie ihnen zu. „Ihr müsst neu hier sein, wenn ihr an Diebstahl denkt. Der Barde hat um sein Leben gefürchtet, weil er eine Stunde zu spät eintraf.
Der hiesige Herr hängt und martert zuerst, ehe er sehr viel später an Gerechtigkeit denkt, falls er überhaupt je daran denkt. Ich stecke meinen Hals eurer Habgier wegen nicht in eine Henkersschlinge."
Die Männer gaben nicht sofort auf. Sie fluchten und drohten, und dann brachte Joris die beiden anderen mit einer Geste zum Schweigen. „Der Herr kann uns nicht die Schuld geben, ganz gleich, wie gnadenlos er ist. Wir waren wie alle anderen Leute beim Turnier. Komm jetzt herunter und willige ein, deinen Mund zu halten. Dann gibt jeder von uns dir etwas von dem, was wir in die Hände bekommen haben."
„Versprechen fahrenden Volks!" Carys lachte spöttisch. „Ich habe mein Leben lang zum fahrenden Volk gehört. Ich weiß, was ihr mir geben werdet, und das wird nichts Hübsches sein." Unbewusst wählte sie, während sie sich innerlich von Joris und seinesgleichen löste, wieder Telors Ausdrucks weise. „Ich werde dem Barden erzählen, dass ich euch im oberen Hof gesehen habe, ganz gleich, was ihr behauptet und tut.
Zweifellos wird er das dem Herrn berichten. Wenn ihr klug seid, ruft ihr eure Truppe zusammen und verschwindet, ehe die Herrschaften zurück sind. Viel verlieren könnt ihr nicht. Alle Schausteller werden morgen abreisen. Wenn nichts gestohlen wurde, wird man euch nicht verfolgen, und ihr könnt ein anderes Mal hier wieder auftreten.
Wenn auch nur ein Silberpenny gestohlen wird, lässt der Herr euch bis an das Ende der Welt verfolgen. Genau das wäre dem Barden passiert, wie er sagte, wenn er nicht an dem versprochenen Tag hier gewesen wäre und gesungen hätte."
„Dirne! Hure! Hexe!" brüllte Joris. „Komm jetzt herunter, und wir verprügeln dich nur. Wenn du uns warten lässt, töten wir dich. Du kannst nicht immer da oben bleiben."
Carys legte sich flach auf den Dachbalken und fragte die Männer, wie lange sie es wagen würden, darauf zu warten, dass sie herunterkam. Welche Erklärung würden sie abgeben, wenn man sie im oberen Hof bei dem Versuch antraf, den Jungen, der mit dem Minnesänger hergekommen war, zu fangen? Derweil sie noch redete, sah sie, dass Joris versuchte, sie abzulenken, während die beiden anderen Männer an den Pfosten rechts und links von ihr hochkletterten, um sie in eine Falle zu bringen.
Verächtlich blieb sie still liegen und drehte den Kopf hin und her, damit Joris merkte, dass sie wusste, was man vorhatte. Er verfluchte sie wieder und fing an, selbst einen Pfosten hochzuklettern.
Im allerletzten Augenblick, als seine Begleiter die Dachsparren neben ihr erreicht hatten, kam sie auf die Füße und sprang auf den nächsten Balken, knapp außerhalb der Reichweite von Joris' ausgestreckten Händen. Sie wusste, dass Joris keine Seiltänzerin in seiner Truppe hatte, und sah sofort, dass keiner der Männer es wagte, sich auf den schrägen
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