0321 - In letzter Sekunde
verstummten jetzt für einen Augenblick. Dann hörte der Mann sie wieder. Eine Tür fiel ins Schloss. Der Mann war wie vom Donner gerührt, kleine Schweißtropfen traten auf seine Stirn. Die Lampe hatte er längst ausgeknipst. Mit angehaltenem Atem lauschte er nur auf die Geräusche.
Jetzt schlug eine weitere Tür ins Schloss. Es war im oberen Stockwerk. Kurz darauf kam ein Summen, das der Mann genau kannte. Der Aufzug war in Bewegung gesetzt worden. Wie zur Bestätigung hörte das Geräusch genauso plötzlich auf, wie es angefangen hatte, und das eiserne Gitter wurde zurückgeschoben. Die Leute, die den Aufzug benutzt hatten, mussten in dem Gang sein, der zu dem Zimmer führte, in dem der Mann mit schweißnasser Stirn vor dem Schreibtisch hockte. Undeutlich waren die Stimmen von zwei Männern zu hören.
Jetzt kam Leben in den Mann. Mit einem Ruck erhob er sich und war mit zwei lautlosen Sätzen am Fenster. Die Stimmen draußen waren für einen Augenblick verstummt. Dafür hörte der Mann jetzt das Rasseln von Schlüsseln und wie kurz darauf eine Tür auf dem Gang geöffnet wurde.
Ohne zu zögern, fuhr die gummibehandschuhte Hand zum Griff am Fenster und riss es auf.
***
»Das hat mir gerade noch gefehlt, Mister«, sagte Risetto und legte seine Hand auf die schmerzende Stelle in seinem Kreuz. »Wissen Sie, sonst ist der Job hier im Bureau for Engineering nicht schlecht. Aber dass ich ausgerechnet jetzt, wo mein Ischias wieder so schlimm ist, die ganze Nacht durch den Bau laufen muss, das passt mir gar nicht. Nee, ganz und gar nicht.«
»Ich wollte den Rundgang ja allein machen, Risetto«, sagte der zweite Mann und schob das Gitter vor der Aufzugtür zurück.
»Nee, das gibt’s beim alten Risetto nicht!«, widersprach der heftig. »Glauben Sie vielleicht, Mister, nur ihr vom FBI wisst, was Pflichterfüllung heißt. Nee, das weiß der alte Risetto auch. Hab sonst auch nicht auf der faulen Haut gelegen, vor dem Einbruch hier, aber es war doch anders. Da musste ich nicht die ganze Nacht rumlaufen.«
»Aha«, sagte der andere, »da haben Sie also die ganze Nacht unten in Ihrem Zimmer gesessen und gepennt.«
Der alte Mann blieb stehen und sah seinen Begleiter vorwurfsvoll an. »Wie können Sie so etwas von mir glauben«, sagte er fast traurig. »Mr. Andrew, ich will Ihnen mal sagen, dass es so etwas nicht gibt. Meinen Sie vielleicht, ich würde meinen Dienst vernachlässigen? Nee, das gibt’s gar nicht. Fragen Sie meinen Chef. Mr. Rasmussen war immer mit mir zufrieden. Immer.«
»Ich glaube Ihnen ja schon«, sagte der Mann, der mit Andrew angeredet worden war. »Ich wollte Sie ja auch nicht kränken.«
Der Alte holte einen riesigen Schlüsselbund unter seinem Kittel hervor und wählte mit sicherem Griff einen der Schlüssel aus, mit dem er die Tür zu einem Büro aufschloss.
»Sehen Sie, hier sitzen drei von den Zeichnern. Die müssen die Pläne machen, die unsere Chefs ausdenken.« Er knipste an dem Schalter neben der Tür das Licht an. »Sehen sie sich die Unordnung an!«, forderte er. »Aber hier darf ich nichts anrühren, sonst kann ich was erleben. Die werden dann fuchsteufelswild, wenn ich hier Ordnung schaffen will. Den Putzfrauen, die ich abends auch noch beaufsichtigen muss, schärfe ich das immer wieder ein, dass Sie ja nichts auf einen anderen Platz legen.«
Andrew ließ seine Blicke durch den Raum gleiten, in dem drei große Reißbretter standen. Sie nahmen den ganzen Platz an den hohen Fenstern' ein. Andrew trat neugierig näher und warf einen Blick darauf. Aber er verstand nichts von den Zeichnungen und ging zu den Fenstern. Er prüfte, ob sie fest verschlossen waren und trat dann wieder zurück.
»Alles in Ordnung«, sagte er und knipste beim Verlassen des Zimmers das Licht aus.
Risetto schloss die Tür und versperrte wieder sorgfältig das Schloss. Den Ring mit den vielen Schlüsseln ließ er unter seinem Kittel verschwinden. »Ich verstehe nicht«, sagte er beim Weitergehen, »dass Sie jetzt noch jede Nacht hier wachen sollen. Was kann hier schon passieren? Meinen Sie vielleicht, dass der Mann, der den Einbruch verübt hat, nochmals kommt? Der soll sich hier bloß nicht noch einmal blicken lassen. Auch vor ’ner Pistole hat der alte Risetto keine Angst. Dem Burschen würde ich schon zeigen, was ’ne Harke ist. Hab nicht umsonst die Tapferkeitsmedaille bekommen«, sagte er stolz und reckte sich.
»Das FBI wird schon seine Gründe haben, warum es die Überwachung bestehen lässt, denke
Weitere Kostenlose Bücher