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0324 - Im Nichts gestrandet

Titel: 0324 - Im Nichts gestrandet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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wirst. In zehn Jahren, um genau zu sein. Ich fühle, daß es soweit ist, und ich bin mit dem Experiment, das du soeben unbewußt vorgeschlagen hast, einverstanden. Ich verspreche dir, dich rechtzeitig zu warnen, damit du in deine Zeit zurückkehren kannst, ehe es zu spät dazu ist.
    Aber, ehrlich gesagt, ich glaube nicht daran, daß es jemals zu spät sein würde."
    „Wie meinst du das?" fragte ich wißbegierig.
    „Als Antwort eine Frage: Was glaubst du, wird geschehen, wenn du bei mir bleibst, bis ich gestorben bin? Was wird mit dir passieren?"
    „Ich weiß es nicht. Bisher kehrte niemand in seine Vergangenheit zurück, der dem Tod seines zweiten Ich beiwohnte oder das Datum überschritt."
    „Sehr richtig", stimmte ich mir zu. „Ich habe zehn Jahre darüber nachgedacht, ohne zu einem Ergebnis zu gelangen. Ich glaube, nur das eigene Erlebnis kann die Antwort geben.
    Darum bat ich dich, zu bleiben. Und zwar nicht nur bis zu dem Augenblick, da ich zu sterben beginne, sondern bis nach meinem Tod. Dann wirst du wissen - und ich vielleicht auch - was geschieht."
    Ich kann mich noch gut an jenen Zeitpunkt erinnern, vor knapp vier Monaten - in zehn Jahren. Ich bekam einen gewaltigen Schreck und war nicht gewillt, meinem Ich den Gefallen zu tun. Ich würde sowieso nichts davon haben, denn ich würde dann tot sein. Oder wenigstens nicht mehr in der bisherigen Form existent.
    Aber in welcher Form dann?
    Unsere Wissenschaft hat alle Probleme gelöst und alle Fragen beantwortet, nur jene nicht, die immer wieder gestellt wurde: Was geschieht, wenn wir sterben? Werden wir in die körperliche Urform zurückfallen, oder werden wir endgültig vergeistigen?
    Ich beschloß, das Wagnis auf mich zu nehmen.
    „Was spürst du?" fragte ich. „Ich meine, woran glaubst du zu merken, daß die Zeit abgelaufen ist?
    Fühlst du dich krank?"
    „Die Energie läßt nach"", antwortete ich. „Merkwürdig, wenn ich daran denke, daß ich dir nun vorangegangen bin. Du wirst mir folgen. Du bist mir immer gefolgt. Wie oft sind wir uns eigentlich schon begegnet?"
    „Fünfmal. Aber immer waren wir anders. Die Zeit trennt uns, auch wenn wir ein und dieselbe Person sind."
    „Das scheint nur so. Wir sind in jeder Sekunde eine andere Person. Nur das kontinuierliche Dahingleiten durch die Zeit verwandelt uns langsam. So langsam, daß wir selbst und auch die anderen es nicht merken. Erst wenn eine gewisse Zeit verstrichen ist, sieht auch ein Fremder die Verwandlung.
    „Ich werde bei dir bleiben - bis danach, sagte ich.
    Und so blieb ich.
    Aber ich starb nicht so schnell. Die Wochen vergingen und wurden zu Monaten. Aus den anderen Behausungen verschwanden über Nacht andere Brels. Viele von ihnen hatte ich gekannt - und kenne sie noch. Sie verschwanden, so wie auch ich bald verschwinden würde. Niemand wußte, wo sie geblieben waren. Sie waren gestorben. Ihr Körper existierte nicht mehr.
    Wo war ihr Geist geblieben?
    Ich fühlte sich immer schlechter. Wir unterhielten uns und versuchten, Antwort auf die letzte Frage zu finden. Es gelang uns nicht. Mittags, wenn die Sonne am wärmsten schien, brachte ich den Todkranken vor den Eingang der Höhle. Er atmete Licht und Wärme und Energie, aber sein schwindender Körper nahm das alles nicht mehr auf. Er war schon fast vollkommen durchsichtig geworden.
    Dann brach der letzte Abend an.
    Ich teilte mir mit, daß es in dieser Nacht geschehen würde. Es könne keinen Zweifel daran geben, und nun hieße es, besonders wachsam zu sein.
    Ich begann meinen voreiligen Beschluß zu bereuen aber ich wollte auch nicht vor mir selbst - wenn auch zehn Jahre später - als Feigling dastehen. Also blieb ich noch. Die Sonne ging unter, aber sie hatte mir keine Energie mehr spenden können. Der Körper war vollends durchsichtig geworden, und nur die wenig eingedrückten Polster verrieten, wo ich ruhte. Die Stimme war leise und kaum verständlich.
    „Ich spüre keine Last mehr... ich werde immer leichter. Es wird schon so sein, daß unser Geist dem Körper entflieht und sich selbständig macht, aber er hat dann keine Gelegenheit mehr, sich mit den Lebenden in Verbindung zu setzen. Der Körper selbst verwandelt sich in den Geist, in Energie. Ja, das ist es wohl: Wir kehren nicht zur Materie, sondern zur echten Urform zurück: zur Energie. Unser Leben lang gibt sie uns die Sonne, und wenn wir sterben, bringen wir sie ihr zurück. So einfach ist das - und erst das - und erst jetzt begreife ich es."
    „Und wie ist das mit der

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