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0326 - Burg der tausend Schrecken

0326 - Burg der tausend Schrecken

Titel: 0326 - Burg der tausend Schrecken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Daß es draußen schon hell geworden war, hatte er logischerweise längst bemerkt, aber daß sie schon so weit vorgestoßen waren, erschien ihm doch etwas unglaubhaft. Immerhin hatte er sich die Karte eingeprägt, als er beim Gastwirt die Rechnung beglich, und von Albacete bis zur Stadt Murcia waren es noch etwas über 100 Kilometer - Luftlinie. Daß sie in der kurzen Zeit schon vier Fünftel der Strecke zurückgelegt haben sollten, überraschte ihn. Aber der Stand des Kilometerzählers, den er mißtrauisch prüfte, bewies die unvorstellbare Tatsache an sich.
    »Bist du geflogen?« fragte er kopfschüttelnd.
    Nicole zuckte mit den Schultern. »Das nicht gerade, aber auch nicht sonderlich langsam gefahren. Ich denke, daß wir an der nächsten Tankstelle ein wenig Benzin nachfassen müssen.«
    Das war zu erwarten gewesen. Der Cadillac zog sich so seine fünfzehn bis fünfundzwanzig Literchen ’rein, bei forcierter Fahrweise auch mal etwas mehr. Aber daran hatte Zamorra sich trotz der immensen französischen Benzinpreise, gegen die die spanischen eine Erholung darstellten, inzwischen gewöhnt.
    » Wie schnell bist du gefahren?« fragte Zamorra ahnungsvoll, eingedenk der Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Spaniens Straßen, eingedenk eines kräftigen Strafgeldes, das man ihm vor einiger Zeit ausgerechnet im Schnellfahrerland Deutschland wegen zu tiefen Fliegens verpaßt hatte, und eingedenk des erwähnten hohen Benzinverbrauchs.
    »Jenseits von gut und böse«, wich Nicole aus. »Kontrolliert hat keiner, und die Straßen waren frei. Erst in der nächsten Stunde wird so ganz allmählich Verkehr aufkommen, wenn Spanien erwacht.«
    Jenseits von gut und böse - das hieß für Nicole, daß sie das Gaspedal kräftig durchgetreten hatte. Wenn man ihn ließ, lief der Wagen fast 200 Sachen, trotz seines hohen Alters. Zamorra seufzte. »Spanien ist ein gemütliches, warmes Land, da fährt man dezent und beschaulich. Man rast nicht, auch wenn es noch so eilig ist. Mañana ist auch noch ein Tag - morgen…«
    »Dann hätten wir ja nicht so sündhaft früh abreisen müssen«, hielt Nicole ihm entgegen. Zamorra seufzte noch eindringlicher, als er an die kurzen schönen Stunden erinnert wurde. Nicole war eben immer für eine Überraschung gut - »Woher hattest du überhaupt den Wein und die beiden Gläser?« fragte er übergangslos, weil er sich vorher ausgerechnet darüber keine Gedanken gemacht hatte.
    »Ich habe mir erlaubt, ein wenig zu zaubern. War alles im Gepäck versteckt«, lächelte sie. Sie beugte sich zu ihm und küßte ihn. Dann fuhr sie fort: »Wenn wir unseren Schnitt halten, sind wir in einer Stunde in Murcia. Dann ist es gerade sieben, und wir können den Burgherrn beim Morgenritt stören.«
    Zamorra seufzte.
    »Wird wohl nicht so ganz klappen«, unkte er. »So früh haben die Tankstellen hier noch nicht geöffnet. Das hier ist nicht Europa, sondern Südeuropa. Rechne lieber mit einer kleinen Zwangspause.«
    »Wir werden sehen«, orakelte Nicole optimistisch und fuhr wieder an.
    ***
    Die Zwangspause dauerte fast drei Stunden, dann endlich erschien ein verschlafener Tankwart und verdeutlichte allein durch seine Erscheinung, in welchem Teil des Landes man sich befand: im südlichen. Interessiert umschlich er einige Male das riesige Fahrzeug und warf abwechselnd der Wagenkarosse und Nicole bewundernde und begehrliche Blicke zu. Immerhin waren beide für sich sehenswert -das weiße Cadillac-Cabrio aus den endfünfziger Jahren mit viel blitzendem Chrom, Haifischmaulgrill und überdimensionalen Heckflossen, das Verdeck inzwischen aufgeklappt und die Lederausstattung präsentierend; Nicole hatte den Wagen vor längerer Zeit überraschend günstig erstehen können und sich sofort in das Fahrzeug verliebt. Sie hegte und pflegte es. Und sie selbst sah im Moment nicht weniger aufregend aus, in weißen Shorts, weißem, hauteng sitzenden T-Shirt, weißen Texas-Stiefeln und einem nicht minder weißen Westernhut. Zamorra machte den begehrlichen Blicken des Tankwarts ein Ende, indem er ihn im Falle Nicole darauf hinwies, daß diese Dame bereits an einen äußerst eifersüchtigen, streitsüchtigen und kampfkräftigen Mann, nämlich Zamorra selbst, fest vergeben sei und der Cadillac im weiteren die Dreißig-Liter-Marke im Durchschnittsverbrauch lässig um das Doppelte überschreite. Davon ernüchtert, füllte der Tankwart endlich den begehrten Saft in den Tank, wenngleich er auch zumindest im letzteren Fall leichte Zweifel anmeldete.

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