0326 - Burg der tausend Schrecken
Sooo viel könne ein einzelnes Auto doch gar nicht verbrauchen.
Die ganze Prozedur des Tankens währte über eine Viertelstunde, dieweil der Tankwart sich auch noch um besonderen Service bemühte und Frontscheibe, Haube und Chromgrill von im Fluge erschlagenen Insekten befreite. Dennoch fiel Zamorras Trinkgeld mäßig aus; der Flinkheit des Tankwarts angepaßt.
»Man müßte leben wie die Spanier«, seufzte er, als sie endlich weiterfuhren. »Morgens Rotwein, mittags Siesta und abends Touristinnen.«
»In Ermangelung der Morgen- und Abend-Diät hat dieses ausgemachte Exemplar die Siesta wohl schon auf den frühen Morgen ausgedehnt. Oder unsere Uhren gehen falsch«, behauptete Nicole.
Gezwungenermaßen fuhr sie jetzt langsamer, da das Verdeck aufgeklappt war und der Fahrtwind sich bei höherer Geschwindigkeit auch von der steilen Windschutzscheibe nicht lange aufhalten ließ. Nicole bangte um ihren Stetson. Zamorra konnte es recht sein. Zuweilen sah er Motorradstreifen der Polizei, die ihn immer wieder an die Geschwindigkeitsbegrenzungen erinnerten.
Nicole schien einfach nicht müde zu werden. Sie war topfit und genoß die Morgensonne, während sie Murcia ansteuerte.
Gegen zehn Uhr vormittags erreichten sie Murcia, eine Stadt von etwa drei Kilometern Ausdehnung, also nicht etwa sonderlich groß. Größe gewann sie nur durch die hinzuzählenden Vororte. Vom Castillo Ferreira war weit und breit nichts zu sehen.
»Hoffentlich ist die Burg nicht 30 Kilometer entfernt, und wir sind schon daran vorbeigefahren«, unkte Zamorra.
»Kannst du vielleicht auch mal die Klappe halten?« fragte Nicole freundlich. »In letzter Zeit gehen mir deine düsteren Prognosen zu oft in Erfüllung.«
Zamorra zuckte mit den Schultern.
Nicole fuhr in Richtung Bahnhof. Dort befand sich eine große Schautafel, die den Grundriß der Stadt und der Umgebung zeigte. Zamorra stieg aus und begutachtete den Stadtplan, während eine Schar halbwüchsiger Jungen und Mädchen Nicole und den Cadillac begutachteten. Immerhin war der große Wagen in dieser eher ärmlich orientierten Gegend, in denen Kleinwagen das Höchste der Gefühle waren, wenn man nicht gerade zu den Spitzen von Industrie, Politik oder Verbrechen gehörte, eine Sensation.
»Nichts eingezeichnet«, sagte Zamorra, als er mit sportlich kühnem Schwung über die Wagentür flankte, Applaus einheimste und der Schau die Krönung bot, indem er Nicole umarmte und küßte. »Mußte das sein«, fragte sie etwas indigniert, während sie wieder losfuhr. »Ich meine, diese Schau. Spanien ist ein sehr - äh - konservatives Land, und Küsse in der Öffentlichkeit stellen immerhin den Tatbestand der Erregung öffentlichen Ärgernisses dar.«
Zamorra grinste.
»Wenn sich einer geärgert hätte, hätte bestimmt keiner applaudiert. Außerdem… nicht, daß ich etwas gegen dein freizügiges Auftreten hätte, im Gegenteil. Aber vielleicht sind die konservativen Spanier doch ein wenig befremdet.« Er betrachtete eingehend Nicoles aufreizende Kleidung.
»Wenn dir die Sachen nicht gefallen, kann ich sie ja ausziehen«, kündete sie an. »Wie finden wir die Burg jetzt, wenn sie nicht auf dem Plan steht?«
»Auf dem Plan steht, wo sich das örtliche Büro der gesetzeshütenden Obrigkeit befindet. Ich lotse dich hin, und dort erkundigen wir uns. Oder besser - ich, bevor sie dich als zu sexy inhaftieren.«
Nicole atmete verärgert tief ein, und das T-Shirt spannte sich bis zur Zerreißgrenze. Zamorra grinste. »Nur so weiter, noch etwas…«
»Typisch Mann«, fauchte sie.
Aber spätestens nach dem nächsten öffentlichen Kuß am Ampelstop war sie wieder versöhnt.
Im Büro der Polizeistation kratzte Zamorra seine nicht geringen Spanisch-Kenntnisse zusammen und erkundigte sich nach dem Castillo Ferreira. Die drei anwesenden Beamten sahen sich kopfschüttelnd an.
»Oh, Señor, da kommen Sie zu spät. Im vorigen Jahr noch hätten Sie Castillo Ferreira besichtigen können. Aber jetzt - geschlossen. Keine Führungen mehr. Der junge Señor Ferreira hat sich völlig aus dem Geschäft zurückgezogen. Aber wenn Sie wollen, beschreibe ich Ihnen gern den Weg. Aber Sie werden ihn vergebens machen, Señor…«
***
»Das Ganze sieht mir nicht gerade nach einer Dämonen- oder Gespensterjagd aus«, sagte Zamorra selbstironisch, während sie mit dem Wagen wieder aus Murcia hinaus in Richtung Molina de Segura fuhren; auf der Hinfahrt hatten sie dieses Dorf passiert, und so bewahrheitete sich eine weitere von
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