0326 - Burg der tausend Schrecken
zuzuwenden.
Leonardo fieberte vor Erregung. Zeigte sein Gegner gleich sein wahres Gesicht?
Da ergriff jener die Flucht!
Er stürmte die Treppe wieder hinauf, mehr auf allen vieren als auf den Füßen, und versuchte das Tor zu erreichen. Leonardo sandte ihm den Schatten nach. Aber dieser Schatten war diesmal nicht schnell genug. Auch Leonardo hatte mit den Nachwirkungen des Berührungsschocks zu kämpfen, und sein Versuch, dem anderen den Weg zu versperren, den Durchgang einfach zu blockieren, mißlang. Der Gegner schlüpfte durch den Spalt zwischen Wand und dem zurückgeglittenen Tor hindurch, zog es zu und verriegelte es blitzschnell von außen.
Dem Schatten blieb nur die Möglichkeit, unter dem Türspalt oder durch das Schlüsselloch zu dringen. Aber er tat es nicht. Er ließ den Gegner zunächst einmal laufen. Denn er scheute jetzt doch vor einer neuerlichen direkten Berührung zurück.
Statt dessen ergab sich die Möglichkeit, etwas anderes zu tun.
Der Schatten glitt an der Wand nach unten und suchte sein nächstes Opfer, während Leonardo selbst immer noch gegen die sich verengenden Netzmaschen ankämpfte und sie zu zerfetzen suchte.
***
Sid Amos keuchte. Um ein Haar hätte Leonardo ihn erkannt. Der Dämon hatte tausend Tricks auf Lager. Mit dem Schatten hatte Amos nicht mehr gerechnet. Vor allem hatte er sich überraschen lassen, weil in diesem Moment auch noch Nicole Duval hatte auftauchen müssen.
Diese Närrin! Er hatte sie gewarnt!
Nun hatte er noch ein Problem auf dem Hals. Und er sah, daß er so nicht weiterkam. Leonardo war zu stark geworden. Der Berührungsschock hatte auch Sid Amos geschwächt. Er mußte seinen Joker einsetzen, die beiden Amulette, oder zumindest eines davon. Und er mußte es schnell tun, wenn er noch etwas retten wollte.
Er rannte los, seiner Unterkunft entgegen. Liebend gern hätte er seine Hand ausgesandt, den kleinen Safe-Koffer mit den Amuletten zu holen, aber seine Fähigkeiten hatten ihre Grenzen. Nur was sich in seinem unmittelbaren Bereich befand, konnte er auf diese Weise erreichen. Geschlossene Türen, Wandbiegungen und dergleichen mehr hemmten aber die Energien.
Amos rannte, so schnell er konnte. Er hoffte, daß es Leonardo nicht zu früh gelang, die Maschen des Netzes endgültig zu zerreißen.
Denn dann war alles verloren.
***
Nicole brauchte ein paar wertvolle Sekunden, um sich zu orientieren. Sie sah Leonardo in seinem magischen Netz, und sie sah die blasse, durchscheinende Gestalt des Gespenstermädchens. Irgendwie kam es Nicole vor, als sei Inez teilweise »zerstört« worden. Etwas Furchtbares mußte mit ihr geschehen sein.
Ines deutete auf einen Punkt hinter Nicole.
Nicole fuhr herum. Da sah sie Wang Lee Chan besinnungslos in der Tür liegen, die in eine düstere Kammer führte. Und dahinter…
»Nicole!« rief Zamorra sie an. »Schnell… versuche mich freizubekommen!«
Nicole nickte. Sie stolperte fast über das schwarze Schwert und hob es auf. Es glühte in ihrer Hand, und sie konnte es kaum halten. Da war Inez neben ihr, schwebte in die Kammer und erhellte sie mit ihrem gespenstischen Leuchten.
»Ihr müßt euch beeilen«, hauchte sie erschöpft.
Nicole sah die schweren Ketten, mit denen Zamorra gefesselt und an die Wand geschlossen war. Sie hielt das glühende Schwert in der Hand, und dann beschloß sie, diese gefährliche Waffe als Werkzeug einzusetzen. Sie schlug damit auf die Eisenringe in der Wand ein, an denen Zamorras Ketten befestigt waren.
Das Schwert heulte protestierend. Funken sprühten. Die mörderische schwarze Seelenfresserklinge wurde rasch schartig und stumpf. Dennoch ließ Nicole nicht nach. Aber es gelang ihr gerade eben, ein paar Späne von dem Eisen zu lösen.
Das Glühen des Schwertes ließ nach.
Offenbar war die Waffe nur in der Hand ihres Besitzers gefährlich und scharf genug. In der Hand eines anderen entfaltete sie nur einen Bruchteil ihrer wirklichen Kraft.
Nicole seufzte.
Es war ihr unmöglich, die Ketten zu lösen.
Langsam drehte sie sich um.
In dem Netz entstand ein langer Riß. Der Fürst der Finsternis begann die Reste auseinanderzuzwängen. Er befreite sich!
Zamorra schwieg. Er wußte, daß es ebensowenig Sinn hatte, Nicole zur Beeilung aufzufordern wie an den Ketten zu zerren. Die Chance, die sie beide zu haben geglaubt hatten, war gar keine gewesen.
Plötzlich durchzuckte ihn eine Idee.
»Wang ist bewußtlos und damit verletzlich«, stieß er hervor. »Bedrohe ihn! Vielleicht können wir Leonardo
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