0326 - Der heulende Tod
Cadillac war sonst vom Fahrersitz durch eine schalldichte Panzerglasscheibe getrennt. Wir hatten sie herausgenommen. Goldenboom konnte sich mit seinem Fahrer nur über eine im Wagen eingebaute Rufanlage unterhalten. Ich tat, als ob ich sie bediente und gab meinem Kollegen Bowler die Anweisung weiter: »Rechts abbiegen.«
»Sie wiederholen jetzt laut und deutlich jedes Kommando für Ihren Chauffeur«, befahl die Stimme im Apparat. »Ohne Verzögerung. Links ab.«
Gehorsam wiederholte ich. »Links ab!«
Mein Telefonapparat jagte mich dem Hudson River zu in die verkehrsüberfüllten Straßenschluchten Manhattans hinein. Die Kommandos erfolgten so rasch, dass kein System in ihnen zu sein schien. Oft sollten wir in Straßen einbiegen, in denen die Einfahrt verboten war. Wir konnten dann erst in die nächste oder übernächste einfahren. Inzwischen aber hatten wir bereits ein neues Kommando erhalten, sodass wir nicht wussten, welches wir befolgen sollten.
Dann versuchte ich einen Trick. Wenn der Anrufer »rechts«, kommandierte, stieß ich Bowler in den Rücken und bedeutete ihm links zu fahren. Er tat es, und nichts erfolgte. Aber auch dieses Spiels wurden wir müde und ließen uns schließlich willig eine ganze Stunde planlos durch Manhattan jagen. Inzwischen musste der Standort des Anrufers längst von unseren Leuten festgestellt worden sein.
Ich wusste nicht, dass der Anruf gar nicht über die Autorufzentrale geleitet worden war. Die Bande hatte einen eigenen Sender und peilte meinen Anschluss direkt an. Es nützte mir daher gar nichts, als endlich ein neues Kommando dem Labyrinthspiel eine Ende bereitete.
»Geben Sie an, wo Sie sich jetzt befinden.«
Ich schob den Vorhang beiseite. Wir waren in der Midtown und fuhren auf die Hafenanlagen am Ufer der Innenbucht des unteren Hudson zu. Ich beschrieb es.
»Okay. Behalten Sie den Kurs bei und geben Sie laufend Positionsmeldungen.«
Das war mir sehr recht. War ich doch immer noch in dem Glauben, unsere Leute hörten mit. So würden sie mich leicht wieder finden können.
Wir ließen die Geschäftszentren hinter uns. Die Wolkenkratzer wurden niedriger, grauer, unansehnlicher. Die Straßen schmutziger. Kommandos gab es nur noch spärlich. Offensichtlich dirigierten sie uns jetzt genau nach dem Stadtplan.
»Entriegeln Sie jetzt die Hintertüren«, befahl mein Gesprächspartner.
Ich tat es.
»Sie werden gleich Besuch bekommen. Händigen Sie ihm den Koffer aus. Dann drehen Sie ab und verschwinden aus der Gegend. Fahren Sie Schritttempo. Bye, Mr. Goldenboom. Bisher waren Sie vernünftig. Bleiben Sie es.« Die Verbindung wurde unterbrochen.
Seit etwa zehn Minuten war uns ein dunkelgrauer Thunderbird gefolgt. Von unseren Leuten keine Spur. Ich hoffte, sie saßen dahinter.
Die rechte Fondtür wurde aufgerissen. Ein schmächtiges Bürschchen stieg ein. Braun, schwarzhaarig. Er stank ein wenig nach Fischtran und Teer. Ein Puerto Ricaner. Er grinste mich an. Aus der Hosentasche fischte er mit der Rechten ein feststehendes Messer. Mit der linken wuchtete er den Metallkoffer vom Sitz, in den ich gerade noch den Griff ein wenig hineindrücken konnte. Das war eine besondere Überraschung für die Empfänger, die nach fünfundvierzig Minuten serviert wurde, falls sie den Koffer nicht vorher öffneten. Der Zünder setzte eine Magnesiumbombe mit einer überaus starken Lichtwirkung in Funktion. Sie würde die Umstehenden vorübergehend blenden, falls diese nicht die Augen geschlossen hielten.
Wie ein Känguru sprang der Bursche aus dem Wagen. Trotz des Koffers verlor er nicht die Balance. Bowler bog sofort um eine Straßenecke. Noch ehe der Thunderbird gefolgt war, sprang ich nach der linken Seite ab. Die gleich darauf vorbeirauschenden Verfolger erkannten mich nicht. Sie hielten ja nach Goldenboom Ausschau. Bowler würde sie weisungsgemäß in die Bronx zur Villa des Millionärs zurückführen.
Ich rannte um die Ecke. Die Puerto Ricaner schleppte das inhaltsreiche Gepäck unbekümmert durch die Straße. Er sah sich nicht um. Anscheinend war er solche Aufträge gewohnt. Niemand beachtete ihn. Seiner lässigen Haltung nach schien es sogar, als ob er ein Lied vor sich hin pfiff.
Mit 30 000 Dollar im Koffer. Bestimmt wusste er das nicht.
Ich merkte bald, dass ich nicht der einzige war, der ihm folgte. Mit flatternden Hosenbeinen und wiegendem Gang beschattete ihn ein breitschultriger Mulatte.
Es ging immer näher auf die Kaianlagen zu. Auf der anderen Seite des Hudson lag
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