0331 - Heroin in zarten Händen
dachte, er würde ihn noch einmal lesen wollen, wenn er zurückkäme.«
Also hatte unsere Vermutung nicht getrogen. Der ehemalige Butler musste eine wichtige Spur gefunden haben. Statt uns zu benachrichtigen, wie er versprochen hatte, war er ihr auf eigene Faust nachgegangen. Jedenfalls hatten wir wieder einmal Glück gehabt. Der Brief war noch vorhanden.
Al Goore bewohnte zwei Zimmer im Obergeschoss. Eins davon hatte er zu seinen Lebzeiten als Schlafzimmer benutzt, das andere hatte ihm als Aufenthaltsraum gedient.
Als ich die Tür öffnete, hörte ich ein Rascheln in dem Raum. Ich erblickte einen Halbwüchsigen, der sich gerade aus dem Fenster schwang. Offenbar hatte er die Gelegenheit zu einem Diebstahl ausnutzen wollen. Ich lief ans Fenster und schaute hinaus. Der Junge war gut auf der Erde angekommen und lief jetzt auf die Straße zu.
Plötzlich schrie Phil: »Der Brief ist weg. Der Junge hat den Brief mitgenommen.«
Tatsächlich konnte ich sehen, dass er etwas Weißes in der Hand hielt. Jetzt wurde ich erst richtig wach.
Ich spurtete die Treppen hinunter. Trotzdem wäre es mir nicht mehr gelungen, das schnellfüßige Bürschchen einzuholen, aber glücklicherweise stoppte in diesem Augenblick ein Wagen am Bordstein. Heraus stieg ein Mann mit dem Sheriffstern an der Jacke.
»Aufhalten!«, rief ich ihm zu. Ein Blick genüge, und er hatte die Situation erfasst. Der Junge lief ihm geradewegs in die Arme. Etwas außer Atem von dem schnellen Spurt kam ich bei den beiden an.
Es war ein Gehilfe des Sheriffs. Er lachte, während er mir die Hand reichte. Mit der anderen hielt er das Bürschchen wie in einem Schraubstock fest. Ich nahm dem Jungen den Brief ab.
»Darum ging’s«, erklärte ich die Situation. Wir nahmen den jungen Dieb mit ins Haus. In der Halle setzten wir ihn auf einen Stuhl. Er war kreidebleich und zitterte wie Espenlaub. Während ihn der Gehilfe des Sheriffs nach Waffen abtastete, warf ich einen schnellen Blick auf das Schreiben. Es war an Al Goore gerichtet und lautete: »Wie ich höre, interessierst Du Dich für eine bestimmte Angelegenheit. Komme morgen zu mir ins Moby Dick, dann kann ich Dir mehr darüber erzählen. Ich werde dem Wirt Bescheid sagen, für den Fall, dass ich gerade nicht dort sein sollte.«
Keine Unterschrift. Aber es würde nicht schwer fallen, den Schreiber ausfindig zu machen. Das Moby Dick war mir zwar kein Begriff, aber dem Namen nach musste es sich um eine Matrosenkneipe handeln. Anscheinend war der Verfasser des Briefes dort gut bekannt, denn er wollte ja dem Wirt Bescheid sagen. Mit diesen Angaben würden wir ihm schon auf die Schliche kommen können.
Ich wandte mich wieder dem Jungen zu.
»Wer hat dich geschickt?«, fragte ich ihn. Es war klar, dass der Junge nicht aus eigenem Antrieb gehandelt hatte. Aber er stotterte nur: »Ich habe nichts verbrochen. Warum halten Sie mich fest?«
»Jetzt hör mal gut zu, mein Junge«, sagte ich. »Schlag dir aus dem Kopf, uns für dumm zu verkaufen. Wir sind G-men und lassen nicht mit uns spaßen. Du kannst dir ausrechnen, was für dich das beste ist. Also heraus mit der Sprache: Wer hat dich geschickt? Für wen solltest du den Brief stehlen?«
Anscheinend hatte diese Predigt ihre Wirkung nicht verfehlt
»Was geschieht mit mir, wenn ich den Mund auf mache?«, fragte er.
»Du solltest lieber fragen, was mit dir geschieht, wenn du den Mund nicht auf machst«, riet ich ihm. »Im ersten Fall nicht sehr viel. Du musst vielleicht vor den Jungendrichter. Wenn du dich weiter so frech aufführst bist du im Begriff, dich der Beihilfe zu einem schweren Verbrechen schuldig zu machen.«
Das löste seine Zunge.
»Ich kenne den Mann auch nicht«, gestand er. »Er sprach mich vor dem Kino an und bot mir zehn Dollar, wenn ich ihm den Brief holen würde. Er gab mir die Hälfte, den Rest versprach er mir, wenn ich ihm den Brief bringen würde. Darf ich die fünf Dollar behalten, Sir?«
»Jetzt reicht’s mir aber«, knurrte ich gereizt. »Du willst Geld behalten, das du nicht ehrlich erworben hast? Sag mir lieber, wo du den Mann treffen solltest.«
Er holte eine Fünf-Dollar-Note aus der Tasche und reichte sie zögernd dem Gehilfen des Sheriffs.
»Im Autorestaurant an der Ausfahrt nach New York.«
Ich gab Phil einen Wink.
»Wir werden uns diesen Herren einmal näher anschauen, der Diebstähle bei Jugendlichen in Auftrag gibt«, erklärte ich. »Den Jungen werden wir natürlich zur Identifizierung mitnehmen. Sie bleiben am besten hier
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