0332 - Die Pest aus den Slums
wissen, daß Sie in unserem Viertel maßlos unbeliebt sind?« fragte er sanft.
»Nicht im geringsten.«
Er stieß sich von der Hauswand ab.
»Anscheinend muß es Ihnen noch deutlicher gezeigt werden«, sagte er.
Er und Lescort gingen langsam zu einem Wagen, der zwei Häuserblöcke entfernt stand.
***
Im Hausflur standen zwei Frauen. Sie unterbrachen ihr Gespräch, als ich auftauchte.
»Der blonde Junge wohnt in diesem Haus?« fragte ich.
»Tom Raven? Ja, in der ersten Enge, zweite Tür links.«
Ich stieg die Treppe hinauf und klopfte an die bezeichnete Tür. Sie winde von einem Mädchen geöffnet, das siebzehn oder achtzehn Jahre alt sein mochte, und dem anzusehen war, daß es die Schwester von Tom Raven war.
Das Girl erschrak bei meinem Anblick.
»Ich möchte mit Tom Raven sprechen.«
»Ich werde Vater fragen.«
Der Mann tauchte hinter ihr auf.
»Ich dachte mir,- daß Sie kommen würden«, sagte er. »Kommen Sie herein, G-man!«
Das Mädchen schloß hinter mir die Tür.
Ihr Vater führte mich in ein einfach eingerichtetes Zimmer. Am Kopfende eines Tisches saß der Junge, sah auf, als ich eintrat, und senkte rasch wieder den Kopf.
Der Mann wies auf einen Stuhl und setzte sich selbst neben seinen Sohn.
Leise huschte das Mädchen in den Raum und machte sich am Herd zu schaffen.
Ich hielt dem alten Raven eine Zigarettenschachtel hin. Er nahm bedächtig eine Zigarette.
»Sie wissen, daß ich FBI-Beamter bin?«
Raven nickte. »Es spricht sich schnell im Viertel herum.«
»Der Mann, der in diesem Hause wohnte und vor vierzehn Tagen erschossen wurde, war auch FBI-Agent. Wußten Sie es?«
»Ich erfuhr es erst, als sie ihn umgebracht hatten.«
»Wer hat ihn umgebracht?«
Er zuckte die breiten Schultern.
»Ich weiß es nicht.«
Ich richtete den Blick auf den Jungen. »Weiß Tom es?«
Raven wandte den Kopf seinem Sohn zu.
»Er wurde vernommen, als die Sache passiert war, aber die Cops haben ihm die Zunge nicht lösen können.«
»Sie könnten es besser als alle Polizisten, Mr. Raven. Sie sind sein Vater.« Er sah mich ernst an.
»Keiner von den Jungs war dabei, als der G-man erschossen wurde.«
»Das wissen wir, aber unmittelbar vorher kam es zu einem Zusammenstoß zwischen ihm und den Jungs, zu einem organisierten Zusammenstoß. Uns genügt es, wenn wir wissen, wer den Befehl gab, wer die Sache organisierte.«
»Wissen Sie es nicht?« fragte Raven. »Wissen genügt nicht. Wir müssen es beweisen können. Wir brauchen Zeugen, wenigstens einen Zeugen.«
Zum erstenmal, seitdem ich im Raum war, hob der Junge den Kopf. Er hatte ein hübsches Gesicht, aber jetzt zeigte es einen Ausdruck von Verwilderung.
»Scheren Sie sich ’raus, G-man!« schrie er. »Wenn Sie mich ausquetschen wollen, bestellen Sie mich in ihren Verein, aber hier in der Wohnung haben Sie nichts zu suchen.«
»Halt den Mund!« sagte sein Vater.
Er wandte sich wieder an mich.
»Mir ist es auch lieber, wenn Sie sich nicht um Tom kümmern. Sie bringen ihn in Gefahr.«
»Ist er inmitten der Horde nicht in Gefahr? Warum haben Sie ihn dann herausgeholt, Mr. Raven?«
»Ich will nicht, daß er solche Sachen mitmacht.«
»Es ist nicht so schlimm, wenn Jungs sich zusammenfinden, an den Ecken herumstehen und ein wenig lärmen. Das ist zu allen Zeiten so gewesen. Aber die Jungs von Hunts-Point werden zu schlimmeren Dingen mißbraucht.«
»Sie erzählen mir keine Neuigkeiten, G-man. Ich halte meinen Sohn heraus. Das genügt mir.«
»Sie werden es auf die Dauer so nicht schaffen. Sie hätten es schon heute nicht geschafft, die Wunde an Ihrem Kinn beweist es. Ohne mich wären Sie zusammengeschlagen worden.«
Raven warf seinem Sohn einen finsteren Blick zu.
»Vielleicht hätte ihn das zur Vernunft gebracht«, sagte er leise.
Der Junge stand mit einem Ruck auf, schob seinen Stuhl zurück und verließ das Zimmer. Die Tür krachte ins Schloß. Das Mädchen wollte ihm nach, aber der Vater hielt sie zurück.
»Bleib hier, Ann!« befahl er. »Du bringst ihn auch nicht zur Vernunft.«
»Hören Sie, Mr. Raven«, sagte ich. »Ihre Schwierigkeiten und die Schwierigkeiten der anderen werden aufhören, wenn wir Harry Lescort und seinen Leuten das Handwerk gelegt haben. Er degradiert Hunts-Point zu einem Slumviertel, zu einem toten Bezirk. Er zerstört das Wirtschaftleben des Bezirkes, ohne das wir einen Sinn in diesen Maßnahmen erblicken können. Er hat kein gewöhnliches Rackett aufgezogen, das Schutzgebühren erpreßt, sondern er zwingt die
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