0333 - Einer blieb übrig
Interview mit dem Senator veröffentliche, möchte ich eure Version hören.«
»Das riecht nach Erpressung, Louis, aber wir wollen nicht so sein.«
Dann ließ ich den Fall, wie er sich entwickelt hatte, abrollen. Als ich an die Rolle kam, die Pit Bowman gespielt hatte, hob Louis Thrillbroker seinen knöchernen Zeigefinger.
»Den Kerl kenne ich. Er ist ein Lump, wie er im Buche steht. An eurer Stelle würde ich mich einmal näher mit ihm befassen. Ich traue dem Kerl alles zu.«
»Dazu müssten wir ihn erst einmal haben«, sagte ich. »Vielleicht könntest du uns dabei helfen.«
»Was in meinen Kräften steht, soll geschehen. Wenn er mir über den Weg läuft, werde ich ihn euch bringen.«
Er fletschte grinsend die Zähne, sortierte seine langen Beine und stemmte sich aus dem Sessel hoch.
Louis Thrillbroker wurde von einem neuen Besucher abgelöst. Er hieß Dr. Clement Roebling und war, wenn man seiner Karte glauben durfte, Arzt.
Dr. Roebling war ein mittelgroßer, untersetzter Mann, den ich eher für einen Werkmeister oder dergleichen gehalten hätte. Ich forderte ihn auf, Platz zu nehmen. Er setzte sich auf den Sessel, den Louis vorher eingenommen hatte.
»Ich habe die Zeitungsnachrichten über den Fall Scillo-Blackpoint verfolgt«, sagte er bedächtig. »Darin war von einer Gang die Rede, deren Mitglieder eine tätowierte Schlange tragen.«
»Das entspricht den Tatsachen, Doktor.«
»Ich habe lange mit mir gekämpft, ob ich in diesem Fall meine ärztliche Schweigepflicht verletzen darf«, fuhr er fort. »Da es sich jedoch um eine Reihe von Morden und Kidnapping handelt, glaube ich es verantworten zu können, Ihnen eine Mitteilung zu machen.«
»Sprechen Sie ruhig, Doktor«, antwortete ich. »Was hier gesagt wird, ist vertraulich.«
»Darum wollte ich gerade bitten. Vorgestern kam eine Patientin mit einem merkwürdigen Anliegen zu mir. Sie fragte mich, ob ich imstande sei, eine dreißig Jahre alte Tätowierung zu entfernen. Diese Tätowierung glich aufs Haar der Schlange, deren Foto die Presse veröffentlicht hat. Ich dachte mir nichts Böses dabei und entsprach ihrem Wunsch, was besonders leicht war, da die Farben im Lauf der Zeit verblichen waren. Es handelt sich dabei immerhin um eine Dame, von der ich nicht annehmen kann, dass sie Mitglied einer Kidnapper- und Mördergang ist. Trotzdem…«
»Wer ist die Dame?«, unterbrach ich ihn.
»Sie heißt Cecily Cortez und ist Inhaberin des bekannten Modesalons ›Fiorina‹ in der Park Avenue.«
Das war nicht überraschend und doch bezeichnend.
Die Cortez hatte immer behauptet, mit der Gang nichts zu tun zu haben. Und jetzt ließ sie sich plötzlich die Tätowierung, die nur Mitglieder trugen, entfernen. Es gab dafür zwei Erklärungen.
Entweder sie wollte damit sich selbst beweisen, dass sie nicht das Geringste mehr mit Alfiori zu tun hat, oder aber sie hatte doch noch mit ihm zu tun und fürchtete, die Schlange könne ihr zum Verhängnis werden.
Wir bedankten uns bei dem Arzt, gaben aber keinen Kommentar. Nachdem er gegangen war, nahm ich mir die Akte Alfiori vor und studierte sie lange und gründlich.
Es stand sehr viel mehr über Tonio Alfiori darin, als dem Steckbrief zu entnehmen war.
Es war die Rede von seinen Hobbys und Gewohnheiten, sodass man sich ein genaues Bild dieses Mannes machen konnte, der auf der einen Seite ein skrupelloser, gefährlicher Verbrecher war, auf der anderen Seite aber ein vollkommener Kavalier, der manchmal sogar sentimental werden konnte.
Wir warteten vergeblich darauf, dass der Kidnapper sich meldete.
Es war ja immerhin schon der zweite Tag, seit der kleine Bill entführt worden war.
Wollte der Kerl die bedauernswerte Frau und vielleicht sogar den dickköpfigen Senator mürbe machen?
Oder wollte sich der Entführer lediglich des Erben eines Millionenvermögens versichern?
Dieses Motiv hätte Carlo Scillo allerdings erneut in Verdacht gebracht.
Das aber wäre für Scillo ein sinn- und zweckloses Unterfangen gewesen. Blackpoint brauchte ja nur den Jungen zu enterben.
Dann war die Entführung ein Schlag ins Wasser.
Auch die bei Sophia Scillo eingegangene Post ergab nichts Neues.
Es waren, wie das in solchen Fällen so üblich ist, eine Anzahl Briefe darunter, in denen alle möglichen Leute ihr Mitgefühl ausdrückten und andere, in denen mehr oder weniger große Gauner vorgaben, den Aufenthalt des kleinen Bill zu kennen und sich bereit erklärten, diesen gegen Vorauszahlung einer mehr oder weniger großen Summe
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