0337 - Der »Sanfte« kennt jeden Trick
intelligent genug, um zu erkennen, was ich mit meiner Rede bezweckte.
»Halt den Mund!«, brüllte er zum zweiten Mal.
Ich lehnte mich zurück. »Du weißt genau, dass ich recht habe. Denk lieber darüber nach, ehe du es nicht mehr kannst.«
Der Rest der Fahrt verlief in tiefem Schweigen, aber ich spürte deutlich, dass Woods Gangster über meine Worte grübelten, und vielleicht tat das sogar Wood selbst.
Schließlich stoppten wir am Eingang zum 50. Pier. Wood wohnte hier in dem zweistöckigen Anbau eines Lagerhauses, denn er betrieb als Tarnung für seine anderen Geschäfte ein Speditions- und Einlagerungsunternehmen.
Hinter uns bremste Phils Wagen.
»Steig aus, G-man«, grunzte Wood. »Mein Bedarf an Polizistengefasel ist für die nächsten drei Monate gedeckt.«
»Danke fürs Mitnehmen, Charles«, sagte ich und öffnete den Schlag. »Denk ein wenig über meine Worte nach. Euch anderen kann’s auch nicht schaden.«
Ich stieg aus. Der Cadillac rollte weiter auf die Garage des Anbaus zu.
Phils rothaariger Beifahrer drückte sich an mir vorbei und lief dem Cadillac seines Chefs nach.
Phil blieb hinter dem Steuer. Er kurbelte das Fenster herunter. Ich hielt ihm das Zigarettenpäckchen hin und bediente mich dann selbst.
»Er unternimmt nichts?«, sagte Phil.
»Nichts«, antwortete ich, »wenigstens nicht heute Nacht.«
»Wir beobachteten, wie der Cadillac in die Garage gefahren wurde. Einer der Ganoven schloss das Tor. Wenig später flammte hinter einigen Fenstern des Hauses Licht auf. Wood wird versuchen, bei seinen Leuten den Eindruck meiner Worte zu verwischen«, sagte ich. »Ich denke, er benötigt eine lange Rede und einen sehr guten Whisky.«
»Hast du Ihnen eingeheizt?«
»Ich hatte Ihnen nahegelegt, lieber zu meutern, als sich von ihrem Boss in den Kampf gegen einen anderen Boss schicken zu lassen. Der Sanfte hat einen unheimlichen Ruf auch in der Unterwelt. Ich habe ein wenig nachgeholfen, um die Furcht vor ihm zu verstärken. Mir schien das sei der beste Weg, einen Gangsterkrieg zu verhindern.«
Phil lachte leise.
»Vor zwölf Stunden hast du mir ’nen langen Vortrag gehalten, dass nach deiner Meinung der Sanfte gar nicht existiert.«
»Ich glaube immer noch, dass der Sanfte von einem der Gang-Bosse erfunden wurde.«
»Nach der Kugel auf Wood, käme dafür nur noch Cyle in Frage.«
»Vielleicht hat Wood selbst die Kugel durch einen aus seiner Gang abfeuem lassen. Ein Schachzug von so primitiver Schlauheit würde zu seinem Charakter passen.«
»Möglich«, sagte Phil, »aber es war ein Schuss aus einem Gewehr. Ich glaube nicht, dass die Wood-Leute Gewehre mit sich herumschleppen.«
Ich schnippte die Zigarette in die Nacht hinaus. Die Glut beschrieb einen Bogen und zerstob in Funken auf dem Pflaster.
»Fahren wir zu Cyle?«, fragte Phil, als ich einstieg.
»Ja«, antwortete ich, »irgendetwas muss bei dieser Nachtpartie doch herauskommen.«
Es kam nichts dabei heraus, denn Rane Cyle bewohnte ein Haus in der Adrian-Avenue, an dessen Tür wir vergeblich läuteten.
***
Als ich um 9 Uhr mein Büro betrat, klingelte das Telefon. Ich meldete mich.
»Guten Morgen, Mister Cotton«, sagte Harvey Frost höflich. »Ich versuchte bereits um 8 Uhr, Sie zu erreichen.«
»Guten Morgen, Mister Frost.«
»Sie wollten mir die Adresse meines Neffen nennen, Mister Cotton. Wissen Sie sie schon?«
»Augenblick!« Ich suchte den Notizzettel heraus, den Phil mir mit Harry Syths neuer Anschrift auf den Schreib-, tisch gelegt hatte.
»Alexander Avenue 466, ein Appartementhaus.«
»Danke sehr.«
Ein kurzes Schweigen entstand. Frost verabschiedete sich nicht und hängte nicht ein.
»Noch etwas, Mister Frost?«
Er räusperte sich leicht.
»Tja… ich weiß nicht, ob ich Sie überhaupt damit belästigen soll. Außerdem frage ich mich, ob ich nicht Gespenster sehe.«
»Worum handelt es sich?«
»Nun ja… ich habe das Gefühl, beobachtet zu werden.«
»Wirklich.«
»Gestern Abend, als ich das Büro verließ, fiel mir ein Kerl auf, der neben dem Ausgang herumlungerte. Ich hätte mir nichts dabei gedacht, aber heute Morgen stellte ich bei einem Blick durch das Fenster fest, dass derselbe Bursche vor meinem Haus auf und ab patrouilliert.«
»Jetzt auch noch?«
»Das kann ich nicht feststellen. Ich telefoniere vom Arbeitszimmer aus. Das Fenster blickt in den Garten.«
»Passt es Ihnen, wenn ich zu Ihnen herauskomme?«
»Wenn Sie sich beeilen. - Bitte, entschuldigen Sie, dass ich dränge, aber ich
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