0339 - Walpurgisnacht
sagte er.
»Was ist mit Nicole?«
»Die sitzt wahrscheinlich noch im Kino«, erwiderte Zamorra trocken.
»Danach wird sie ins Casino kommen, uns nicht mehr finden und ins Hotel gehen. Oder bist du anderer Ansicht?«
»Ich dache, daß du sie vielleicht gern dabei hättest.«
»An sich schon. Aber glaubst du, ich fahre jetzt erst in die Fußgängerzone und hole sie aus dem Kino? Da… verflixt, ist sie jetzt nach rechts oder links abgebogen?«
»Nach rechts…«
Zamorra bog in die andere Straße ein und sah die Rücklichter des Fiesta in einiger Entfernung. »Die Dame hält sich auch exakt an die innerörtliche Geschwindigkeitsbegrenzung – fünfzig pro Reifen…« Er trat das Gaspedal etwas tiefer durch. Der BMW machte einen Satz und schloß allmählich auf.
Die schwarzhaarige Hexe nahm die Bundesstraße 4 und drehte sofort hinter dem Ortsschild voll auf. Möbius warf im Vorbeifahren dem Hotel einen wehmütigen Blick zu und hielt sich dann fest, als Zamorra dem Coupe ebenfalls die Sporen gab. Es ging zwar relativ steil bergauf, aber der starke Motor schien die Steigung kaum wahrzunehmen. »Ob sie nach Braunlage will?« fragte Möbius. »Hör mal, vielleicht solltest du etwas auf Abstand gehen. Von wegen, damit sie nicht bemerkt, daß wir sie verfolgen…«
»Das hat sie längst bemerkt«, erwiderte Zamorra. »Und deshalb soll sie auch sehen, daß wir dranbleiben. Mal sehen, wohin sie fährt.«
An der Abzweigung nach Altenau bog der grüne Fiesta ab. »Entweder Altenau, oder sie will noch weiter nach Clausthal-Zellenfeld…«
»Werden wir bald sehen.«
Nach etwa vier Kilometer wurde die nicht gerade breite Straße kurvenreicher.
Und dort entschloß sich die schwarzhaarige Hexe zum Angriff…
***
Erwin Hoffach hatte gerade noch so viel Geld reserviert, daß er das Taxi bezahlen konnte, mit dem er sich nach Schulenberg bringen ließ. Er war außer sich vor Zorn. Er begriff nicht, wieso er schon wieder so viel verloren hatte. Das war doch einfach unmöglich!
Dabei hatte er anfangs doch noch recht ansehnliche Gewinne eingestrichen.
Dann aber war seine Pechsträhne zurückgekehrt… bis zuletzt!
Gut fünfzigtausend Mark hatte er verloren.
Wie sollte er das den Leuten bei seiner Bank beibringen?
Hoffach war in einer fürchterlichen Stimmung. Er hätte die ganze Welt in die Luft sprengen können. So viel Pech auf einmal konnte ein einzelner Mensch doch gar nicht haben. Die Strähne war unnatürlich. Sie mußte doch einmal ihr Ende finden! In zwei Tagen über hundertzwanzigtausend Mark verspielt, den Wagen zu Schrott gefahren, und dann der Ärger, der noch mit der Polizei ausstand…
An diesen Ärger wurde er nachhaltig erinnert, als er vor seinem Bungalow angekommen war. Er bezahlte den Taxifahrer, stieg aus und wollte auf die Haustür zugehen, als sich aus einem an der gegenüberliegenden Seite parkenden Wagen vier Männer lösten.
»Herr Hoffach…«
Er vereiste innerlich.
Lauf! schrie es in ihm. Sieh zu, daß du im Dunkeln untertauchst…
Aber er war wie gelähmt und starrte die im Licht der Straßenbeleuchtung glänzende Polizeimarke an. »Kriminalpolizei Goslar. Gegen Sie liegt ein Haftbefehl vor, Herr Hoffach. Wir müssen Sie festnehmen.«
Hoffach starrte sie an. Gegen vier kräftige Männer hatte er keine Chance.
Seine Schultern sanken herab. Er resignierte. Es war alles aus. Müde schloß er die Augen, als er zwischen zwei Beamten auf der Rückbank des zivilen Einsatzwagens saß, in dem er nach Goslar gefahren wurde.
Die Wasserfläche der Okertalsperre glänzte verführerisch im Sternenlicht.
***
Natürlich hatte die Hexe längst bemerkt, daß sie verfolgt wurde. Der schnelle BMW blieb immer dicht hinter ihrem Fiesta und ließ sich nicht abschütteln. Das würde höchstens im Stadtverkehr möglich sein – und auch nicht mehr zu dieser späten Stunde. Sie mußte sich dieser beiden Männer also hier entledigen.
Satan, gib mir Kraft! flehte sie und spürte, wie die Macht in ihr wieder wuchs. Der Teufel gab ihr Hexenkraft, um Menschen zu verderben.
Die engen Kurven tauchten vor ihr auf. Irena Vahlberg umklammerte das Lenkrad, gab vehement Gas und jagte auf den gefährlichen Straßenabschnitt zu. Im selben Moment, in dem sie in die erste Kurve ging, schaltete sie die Fahrzeugbeleuchtung aus.
Sie selbst kannte diese Straße, wußte, wie sie zu fahren hatte, um ungefährdet zu bleiben. Links, rechts, wieder links… hinter sich sah sie keine Scheinwerfer und konnte es daher riskieren, fest
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