0339 - Walpurgisnacht
auf die Bremse zu treten. Der Wagen brach aus, aber sie fing ihn wieder ab und brachte ihn direkt hinter der Kurve zum Stehen. Sie sprang ins Freie und schlug die Tür zu. Ihre Hände beschrieben unsichtbare Zeichen in der Luft. Blitzschnell wob sich ein magisches Netz über die Straße. Das war die zweite Falle für die Verfolger. Die Hexe sprang wieder in den Fiesta, startete und raste davon.
Die Schweinwerfer des BMW tauchten nicht wieder hinter ihr auf.
Dennoch wartete sie eine Weile, bevor sie die Scheinwerfer wieder einschaltete.
Da war sie schon in Altenau und ihr Wagen allein durch die Straßenbeleuchtung nicht mehr in der Dunkelheit verborgen.
Sie fuhr ruhiger als zuvor nach Clausthal-Zellerfeld. Sie war mit sich zufrieden. Auch der Teufel würde zufrieden sein.
Die silbrige Scheibe, die zwischen hinterer Stoßstange und Karosserie steckte, konnte sie natürlich nicht sehen.
***
Zamorra ahnte die Falle, als der verfolgte Wagen plötzlich stark beschleunigte.
Und dann waren die Rücklichter jäh verschwunden.
Zamorra hatte unwillkürlich das Gaspedal ebenfalls tiefer durchgetreten, um dranzubleiben – er vermutete eine Abzweigung in den Wald, in der die Verfolgte blitzschnell verschwinden wollte.
Aber im Schweinwerferlicht tauchte überraschend eine scharfe Kurve auf.
Zamorra lenkte den Wagen hinein. Die Gegenkurve kam sofort, die Geschwindigkeit war zu hoch. Die Rücklichter des Fiesta waren verschwunden.
Die Fahrerin schien die Strecke ziemlich gut zu kennen. Zamorra schlug die Lenkung scharf ein, riß an der Handbremse. Der BMW schleuderte fast querkant in die Kurve. Zamorra bremste hart an. In der nächsten Gegenkurve kam er zum Stehen. Sofort schaltete Zamorra Motor und Licht aus und sprang aus dem Wagen. Möbius stützte sich mit beiden Händen am Armaturenbrett ab. Er war kreidebleich, hatte den Wagen wahrscheinlich schon von der Straße fliegen gesehen. Rechts und links war Wald. An den Bäumen wäre das Fahrzeug zerschellt.
Zamorra hetzte in den Wald, schlug sich durchs Unterholz. Er hatte den weiteren Zickzack-Verlauf der Straße erkannt und kürzte eine Biegung ab. Zwischen den Sträuchern verharrte er am Straßenrand hinter der Kurve. Da stand ein dunkler Schatten – der Fiesta der Verfolgten.
Sie verließ gerade die Straße wieder und stieg in den Wagen. Zamorra riß sein Hemd auf, zog sich das Amulett über den Kopf und schleuderte es in dem Moment, in welchem die Hexe anfuhr. Es beschrieb einen Bogen durch die Luft und blieb zwischen Stoßstange und Fahrzeugheck in einem schmalen Spalt stecken.
Was das anging, so war Zamorra zufrieden. Das Amulett würde jetzt wie eine Art Peilsender arbeiten und den Parapsychologen mit absoluter Sicherheit zur Hexe leiten. Mochte sie fahren, wohin sie wollte – sie konnte nicht mehr entkommen.
Aber was hatte sie auf der Straße getan?
Bestimmt nicht nur nachgesehen, ob der Verfolgerwagen noch da war.
Sie konnte nicht hundertprozentig damit rechnen, daß der BMW zwischen die Bäume gerast war. Es hatte nicht gescheppert, es gab keinen Feuerschein, nichts. Also würde sie eine zweite Falle gestellt haben.
Zamorra arbeitete sich aus dem Strauchwerk hervor und näherte sich vorsichtig der Stelle. Er bedauerte, daß er das Amulett eingesetzt hatte, um die Hexe zu verfolgen. Hier hätte er es besser brauchen können.
Denn selbst wenn er die Falle vorsichtig umfuhr, würde der nächste Wagen hineinrasen. Und das konnte Zamorra nicht zulassen. Er mußte die magische Falle, mit der er fest rechnete, beseitigen.
Er breitete beide Arme aus, drehte sich, um die fremde Kraft, wenn es sie gab, irgendwie vorsichtig berühren zu können.
Plötzlich spürte er etwas.
Da war etwas Unsichtbares in der Dunkelheit quer über der Straße.
Etwas, das klebte. Zamorra zog die Hand zurück. Er schrie leise auf, weil sie sich nicht zurückziehen ließ! Um ein Haar hätte er sich die Haut von der Hand gerissen!
»Verflixt, was ist denn das?« stieß er hervor.
Da legte es sich klebrig auf seinen Arm. Das, was er berührt hatte, kam auf ihn zu! Und er konnte sich nicht mehr davon lösen. Es war ein magisches Netz, das sich jetzt von selbst über ihn stülpte und ihn einhüllte, so schnell, daß er keine Abwehrmöglichkeit fand. Als er den Ernst der Lage begriff, hätte er es riskiert, einen Streifen Haut zu opfern, aber da saß er schon zu fest im klebrigen Netz. Es umwickelte ihn förmlich. Innerhalb weniger Sekunden war er nicht mehr in der Lage, sich zu
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