034 - Der Hexer
hielt sich auch bei Mary nicht auf. Die Perlen, für die er soviel gewagt hatte, wieder in Händen zu haben, gab ihm eine gewisse Befriedigung und verscheuchte den Verdacht, der in ihm aufgekommen war, seit Messer sie bei sich verwahrt hatte.
Als er durch die belebte Flanders Lane ging, trat ein Mann aus einem engen Durchgang und folgte ihm. Der Polizist, der an der Ecke Posten stand, beachtete ihn kaum und ließ es sich jedenfalls nicht träumen, daß in seiner nächsten Nähe der Mann vorbeiging, den die Polizei dreier Kontinente suchte: Henry Arthur Milton - der Hexer!
Noch lange, nachdem Lenley ihn verlassen hatte, ging Messer in seinem Büro auf und ab und überlegte. Lenleys Ton gefiel ihm nicht. Früher einmal hatte ihn Johnny amüsiert, später war er ihm nützlich gewesen - jetzt wurde er ihm gefährlich.
Messer öffnete leise die Tür ein wenig und spähte durch den Spalt. Mary saß, in ihre Arbeit vertieft, an der Schreibmaschine. Er strich sich übers Kinn. Eine neue Leidenschaft hatte ihn befallen und neuen Anreiz in sein Leben gebracht.
Seine Gedanken kehrten zu Johnny zurück. Es gab ein sicheres Mittel, um den prahlerischen, bedrohlichen Lenley loszuwerden. Ihn aus dem Weg zu räumen, würde zugleich bedeuten, manche andere Schwierigkeiten zu beseitigen.
Und Marys Widerstand konnte auch nicht härter sein als der Gwendas in der ersten Zeit.
Er legte die Stirn in Falten. Inspektor Wembury! Der war gefährlicher als Lenley!
Fürs erste mußte er mit Johnny Lenley fertigwerden, ihn dorthin bringen, wo er kein Unheil mehr stiften konnte.
Maurice war ein kluger Mann. Nach der Unterredung mit dem Bruder ließ er einige Zeit verstreichen, bevor er Mary ansprach. Das Frühstück, das ihr gebracht wurde, rührte sie nicht an. Statt dessen stand sie am Fenster und starrte auf die Flanders Lane hinaus. Als sie seine Stimme hörte, erschrak sie. »Was haben Sie, meine Liebe?« Er gab sich väterlich.
Mary schüttelte abgespannt den Kopf.
»Ich weiß es nicht, Maurice - ich bin so besorgt wegen Johnny und der Perlen ...«
»Der Perlen?« wiederholte er mit gespieltem Erstaunen. »Meinen Sie Lady Darnleighs Perlen?«
»Ja. Warum hat Johnny gelogen? Als er damals nach Hause kam, war das erste, was er sagte: ›In Park Lane ist ein Diebstahl verübt worden! Lady Darnleighs Schmuck ist verschwunden!««
»Johnny ist nicht ganz normal«, beruhigte er sie. »Ich würde nicht zuviel auf seine Reden achten. Sein Gedächtnis scheint in letzter Zeit gelitten zu haben.«
»Das ist nicht der Fall. Er wußte genau, Maurice, daß er es mir gesagt hatte. Es ist ausgeschlossen, daß er es vergessen haben könnte.« Geängstigt forschte sie in seinem Gesicht. »Sie glauben doch nicht ...« Der Satz blieb unvollendet.
»Daß Johnny etwas von diesem Diebstahl gewußt hat? Das ist Unsinn, meine Liebe! Der Junge hat Kummer, und das ist ganz natürlich. Es ist nicht angenehm, sich ohne einen Penny in die Welt geworfen zu sehen, wie es Johnny erlebt hat. Er hat weder Ihren Charakter noch Ihren Mut, meine Liebe!«
Sie seufzte und kehrte an ihren Arbeitstisch zurück, auf dem ein großer Stoß Briefe lag, die sie genau geordnet hatte. Sie blätterte darin und zog ein Formular hervor.
»Maurice, wer ist der Hexer?«
Als er das Wort hörte, zuckte er zusammen und starrte sie an.
»Der Hexer?«
»Hier ist ein Telegramm - ich habe es ungeöffnet zwischen alten Briefen gefunden!«
Er riß ihr das Papier aus der Hand. Das Telegramm war vor drei Monaten in Sydney aufgegeben worden, es stammte von einem Anwalt, dem Agenten Messers in Australien. Es enthielt nur wenige Worte:
›Mann aus dem Hafen von Sydney identifiziert - nicht Hexer. Es wird angenommen, daß er Australien verlassen hat.‹
Mary starrte den Rechtsanwalt an, sein Blick war verstört, jede Farbe aus seinem Gesicht verschwunden.
»Der Hexer!« murmelte er. »Am Leben!« Das Papier in seiner Hand zitterte. Er mußte eine Erklärung für seine Aufregung finden. »Ein alter Klient von mir, für den ich mich sehr eingesetzt hatte - aber er ist ein Schuft, sogar mehr als das!«
Während er sprach, zerriß er das Telegramm in kleine Stücke und warf sie in den Papierkorb. Dann legte er plötzlich einen Arm um Marys Schulter.
»Mary, an Ihrer Stelle würde ich mir keine Gedanken über Johnny machen. Er ist in einem schwierigen Alter und hat wunderliche Ideen. Augenblicklich bin auch ich nicht zufrieden mit ihm.«
»Nicht zufrieden mit ihm, Maurice?« fragte sie
Weitere Kostenlose Bücher