034 - Der Hexer
nicht.« Trotz ihrer Sorgen mußte sie lächeln. »Warum sollte ich ihn auch fürchten? Ich habe ihm nichts zuleide getan.«
»Und Messer - wie gefällt Ihnen Messer?«
Jedermann stellte ihr diese Frage, es begann, ihr auf die Nerven zu gehen. Er schien es zu bemerken, denn ohne auf Antwort zu warten, sprach er weiter: »Miss Lenley, Sie müssen auf Ihren Bruder aufpassen! Er ist ein ziemlich törichter junger Mann.«
»Das denkt auch Maurice Messer.« Die Bemerkung war ihr entschlüpft, eine kleine Bosheit, die sie ein wenig erleichterte.
»Denkt er das wirklich?« Es schien Bliss zu erheitern. »Gut, das ist alles. Es tut mir leid, daß ich Sie gestört habe.«
An der Tür drehte er sich nochmals um.
»Aber Wembury ist ein netter Kerl, nicht wahr?«
Er zog selbst die Zimmertür hinter sich zu. Als sie sie wieder öffnete, sah sie gerade noch, wie er durch die Wohnungstür verschwand.
Mary mußte nochmals ausgehen, die Läden schlossen um sieben Uhr, und sie hatte nur abends Zeit, ihre Einkäufe zu machen. Mit einem Körbchen am Arm ging sie in die High Road und kaufte ein. Als sie nach Malpas Mansions zurückeilte, sah sie einen Mann vor sich her gehen. Er trug einen grauen Überzieher; am schlürfenden Gang und an der vorgebeugten Haltung erkannte sie den Spaziergänger sogleich. Sie wollte vorbeigehen, ohne zu sprechen, doch Lomond redete sie an.
»Es ist hübsch, ein Mädchen mit einem Körbchen zu sehen -nur die Eier, die Sie gekauft haben, lassen zu wünschen übrig.«
»Ich wußte nicht, daß ich unter Polizeiaufsicht stehe!«
Sie mußte lachen.
»Es ist eigenartig, aber nur wenige Leute wissen das«, bemerkte er trocken. »Ich habe Sie im Eierladen beobachtet, mein Kind. Sie haben einen vertrauensvollen Charakter. Diese angeblich frischgelegten Eier stammen aus Methusalems Zeiten.« Im Lichtschein eines Schaufensters sah er ihr betroffenes Gesicht und mußte nun seinerseits lachen. »Ich möchte Ihnen sagen, Miss Lenley, ich bin ein sehr guter Beobachter. Ich beobachte Eier, Schädel, Kinnbacken, Nasen, Augen und Detektive! War Mr. Bliss unangenehm? Oder war es nur ein Anstandsbesuch?«
»Wieso wissen Sie, daß mich Mr. Bliss aufgesucht hat?« fragte sie verblüfft.
»Er interessiert mich! Er ist geheimnisvoll, und geheimnisvolle Dinge haben für einen einfachen alten Mann wie mich große Anziehungskraft.«
Sie verabschiedete sich. Zu Hause traf sie gleichzeitig mit Johnny ein. Er war guter Laune, scherzte über ihre Eier und sprach trübe Vorahnungen über deren Wirkungen auf seine Verdauung aus. Dann sagte er etwas, das sie zutiefst erfreute.
»Dieser Wembury ist gar kein übler Kerl! Das erinnert mich übrigens, daß ich nach Flanders Lane gehen müßte, um mich dort zu melden.«
»Du hast doch Bewährungsfrist, Johnny - und, wenn nun etwas geschehen sollte ... Ich meine, müßtest du dann den Rest der Strafe absitzen?«
»Wenn etwas geschehen sollte?« fragte er scharf. »Was meinst du?« Gleichgültig fuhr er fort:
»Du bist töricht, Mary, ich will von nun an ein anderes Leben führen.«
»Aber wenn es der Fall wäre -«
»Selbstverständlich müßte ich mit der neuen Strafe auch den Rest der alten absitzen. Aber da nichts, wie du sagtest, geschehen wird, können wir dies außer acht lassen. Ich hoffe, daß dich Messer nicht mehr lange braucht, und du in ein oder zwei Wochen mit ihm fertig sein wirst. Ich sehe es nicht gern, daß du dort arbeitest, Mary!«
»Ich weiß, Johnny, aber ...«
»Ja, ja, ich verstehe. Du hast noch nie abends gearbeitet?«
Sie konnte es wahrheitsgemäß verneinen.
»Du tust gut daran, Maurice nur während der Bürostunden zu sehen!« Er steckte sich eine Zigarette an. Eine Rauchwolke in die Luft blasend, überlegte er sich die Lüge, die er ihr jetzt sagen mußte. »Ich werde heute abend vielleicht spät nach Hause kommen. Ein Herr, den ich kennengelernt habe, hat mich gebeten, mit ihm im Westend zu speisen. Es macht dir doch nichts aus?«
»Nein. Wann wirst du etwa zurück sein?«
Er dachte einige Sekunden nach.
»Nicht vor Mitternacht - vielleicht auch etwas später.«
»Ich - ich werde vielleicht auch spät nach Hause kommen, Johnny«, sagte sie mit Herzklopfen und bezwang ihre aufgeregte Stimme. »Ich bin eingeladen. Es ist eine Familie, deren Bekanntschaft ich gemacht habe.«
Würde er sich täuschen lassen? Es sah so aus, denn er nahm die sagenhafte Familie hin, ohne zu fragen.
»Amüsiere dich, Kleines, soviel du kannst!« rief er auf dem
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