034 - Der Hexer
Klavierspiel hörte auf.
»Maurice, Sie müssen einsehen, daß ich nicht mehr bei Ihnen arbeiten kann - jetzt, wo Johnny zurück ist!«
»Das ist Unsinn, meine Liebe!« Er sagte es in seinem väterlichen, oft erprobten Ton.
»Er ist mißtrauisch«, entgegnete sie, aber er lachte.
»Mißtrauisch! Ich wünschte, er hätte Grund, mißtrauisch zu sein!«
»Sie wissen selbst, daß ich nicht bleiben kann.«
Er stand auf, trat zu ihr und legte die Hände auf ihre Schultern.
»Sie sind töricht! Man könnte denken, ich wäre ein Aussätziger oder weiß der Himmel was! Welch ein Unsinn!«
»Johnny würde mir nie verzeihen!« wehrte sie sich verzweifelt.
»Johnny, Johnny!« fuhr er auf. »Wollen Sie Ihr Leben von Johnny regieren lassen? Von ihm, der vielleicht sein halbes Leben im Gefängnis verbringen wird?«
Sie blickte ihn fragend an.
»Ja - betrachten wir die Sache so, wie sie ist«, fuhr er gewichtig fort. »Es hat keinen Zweck, sich selbst zu täuschen. Johnny ist ein heruntergekommener Mensch. Sie wissen es nicht, meine Liebe, und ich habe stets versucht, es vor Ihnen zu verbergen ...«
»Vor mir zu verbergen - was?« Sie war blaß geworden.
»Nun ...« Er heuchelte Zögern vor. »Was glauben Sie, was der Junge, kurz bevor er festgenommen wurde, getan hat? Ich bin sein bester Freund gewesen, wie Sie ja selbst wissen, und trotzdem, nun - er hat unter einen Scheck über vierhundert Pfund meinen Namen gesetzt.«
Sie schaute ihn entsetzt an.
»Urkundenfälschung?«
»Was für einen Sinn hat es, das Kind beim Namen zu nennen? Jedenfalls ...« Er holte einen Scheck aus seiner Brieftasche. »Ich habe ihn hier.«
Sie versuchte, den Namen auf dem länglichen Papier zu erkennen, aber es gelang ihr nicht. In Wirklichkeit war es ein Scheck, den er erst mit der Morgenpost erhalten hatte, und die Geschichte mit der Fälschung war ihm soeben eingefallen. Im entscheidenden Moment fiel Messer immer eine Lüge ein.
»Können Sie ihn nicht vernichten?« fragte Mary zitternd.
»Ja, das könnte ich. Aber Johnny ist rachsüchtig. Aus Selbstschutz muß ich das Ding aufbewahren.« Er steckte den Scheck wieder ein. »Ich werde selbstverständlich keinen Gebrauch davon machen!« warf er gönnerhaft hin. Mit seiner sanftesten Stimme schloß er:
»Ich möchte mit Ihnen über Johnny und alles andere sprechen. Jetzt geht es nicht, wir werden ja ständig gestört. Kommen Sie zum Abendessen, wie ich es Ihnen schon einmal vorgeschlagen habe!«
»Sie wissen, daß ich es nicht tun will, Maurice! Ist es denn unbedingt nötig, daß die Leute über mich reden wie über Gwenda Milton?«
Sein Gesicht verzerrte sich vor Wut.
»Großer Gott! Soll mir das dauernd am Hals hängenbleiben? Gwenda Milton, eine Halbverrückte, die nicht genug Verstand hatte, um leben zu können! - Gut - wenn Sie nicht kommen wollen, dann lassen Sie es! Warum soll ich mir Johnnys wegen den Kopf zerbrechen? Warum auch?«
Sie erschrak über seine plötzliche Heftigkeit.
»Oh, Maurice, Sie sind ungerecht! Wenn Sie absolut wollen, daß ich ...«
»Es ist mir egal. Wenn Sie glauben, ohne mich auskommen zu können, versuchen Sie es! Ich falle vor Ihnen sowenig wie vor irgendeiner anderen Frau auf die Knie. Gehen Sie nur aufs Land - ich sage Ihnen im voraus, daß Johnny nicht mitkommt.«
Sie faßte ihn am Arm, furchtbar erschrocken über die versteckten Drohungen.
»Maurice - natürlich - Entschuldigen Sie - Selbstverständlich will ich tun, was Sie wünschen, das wissen Sie doch!«
Er blickte sie eigenartig an.
»Kommen Sie um elf Uhr!« sagte er. »Wenn Sie eine Anstandsdame brauchen, dann bringen Sie einfach den Hexer mit!«
Er hatte kaum ausgesprochen, als dreimal vorsichtig geklopft wurde. Maurice schrak zusammen, seine zitternde Hand griff nach dem Mund. »Wer ist da?« rief er verstört.
Eine tiefe männliche Stimme antwortete.
»Ich möchte Sie sprechen, Messer!«
Maurice ging zur Tür und riß sie auf. Das finstere Gesicht von Inspektor Bliss starrte ihm entgegen.
»Was - was machen Sie hier?« keuchte Messer.
Bliss verzog das Gesicht, seine weißen Zähne glänzten auf.
»Ich beschütze Sie vor dem Hexer - wache über Sie wie ein Vater!« erklärte er mit rauher Stimme. Langsam wandte er sich Mary zu. »Sie brauchen, glaube ich, auch etwas Bewachung?«
»Ich fürchte den Hexer nicht«, erwiderte sie. »Er würde mir nichts zuleide tun.«
Bliss lachte anzüglich.
»Ich denke auch nicht an den Hexer«, bemerkte er, und sein Blick kehrte zu
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