034 - In den Krallen der Nebelhexe
kam von vorn, konnte dabei in das halbdunkle, mit Plexiglas umbaute
Innere sehen, und wich mit einem Aufschrei zurück.
»Rose!«
schrie sie. »Da… ist jemand!«
»Aber
Kindchen, Sie träumen, wie…«
Der Rest
blieb der alternden Diva wie ein Kloß im Hals stecken.
Da saß
wirklich jemand!
Der Sitz am
Steuerrad war herumgeschwenkt, und die Gestalt drehte ihnen das Gesicht zu. Das
wächserne Gesicht des Mannes mit den hervortretenden Augen war ihnen zugewandt.
Der Mund war zum Schrei geöffnet, die Arme hingen schlaff an den Seiten herab,
der Körper war in sich zusammengesunken.
»Mark!«
gellte Rose Margonnys Schrei durch den Nebel. Sie schwankte, verlor den Boden
unter den Füßen und stürzte nach vorn, hinein in die Kabine, nur wenige
Zentimeter von dem Toten entfernt. Sie atmete schnell, keuchte, begann zu
schluchzen und an ihrem Verstand zu zweifeln. Miriam kletterte behend über die
Reling, um der Frau, die wie eine Wahnsinnige zu toben begann, zu Hilfe zu eilen.
Hinter ihr im Wasser bewegte sich etwas, durchbrach die Wasseroberfläche und
stieg kerzengerade in die Höhe. Es war eine schrecklich anzusehende Gestalt,
die mit Sand und Plankton bedeckt war, als hätte sie die ganze Zeit über auf
dem Meeresboden gelegen. Das Gesicht war weich und aufgedunsen, die dünnen,
grauen Haare hingen strähnig an den Seiten herab. Eine Tote tauchte auf. Cindy
Calhoon…
●
Er hatte
Tanner keine Zehntelsekunde aus den Augen gelassen.
Als der
Finger sich krümmte, wußte er, daß der Augenblick gekommen war.
Entweder Tod
oder Leben…
Nur ein
einziges Mal konnte er sich entscheiden. Eine zweite Chance würde es für ihn
nicht geben.
Der Schuß
krachte in dem Moment, als Larry Brent sein Gewicht so heftig verlagerte, daß
das Boot in Bewegung geriet.
Das Wasser
war kein fester Unterstand.
Darauf und
auf seine Schnelligkeit baute er.
Die Bewegung
wirkte sich nicht nur auf ihn aus, sondern auch auf die Zielsicherheit Tanners.
X-RAY-3
spürte einen Luftzug an seiner linken Wange vorbeistreichen. Die Kugel sirrte
am Ohr entlang und verfehlte ihn um Haaresbreite.
Tanner schien
eine Sekunde wie gelähmt, er konnte nicht fassen, daß er nicht getroffen hatte.
Er mußte den
Hahn neu spannen. Das kostete wieder eine halbe Sekunde.
Da sprang
Larry Brent seinen Widersacher wie ein Raubtier an.
Sein
sportlich durchtrainierter Körper schnellte durch die Luft und prallte auf
Tanner.
Dessen Waffe
war wieder schußbereit. Aber er konnte sie durch Larrys verzweifelte Gegenwehr
ebensowenig benutzen wie einen Zauber, für den er sich erst wieder einen
persönlichen Gegenstand des Agenten hätte besorgen müssen.
In dem
kleinen Boot fand ein kurzer, erbitterter Kampf statt. Brent war von der
Körperkraft seines Gegners überrascht. Man sah sie ihm nicht an.
Das Boot
schaukelte auf den Wellen heftig hin und her und drohte bei den Aktionen der
beiden Kampfhähne mehrfach zu kentern.
Wasser
schwappte herein. Der Boden wurde glitschig.
Bei einer
massiven Abwehrbewegung, die er mit dem Einsatz aller Körperkräfte durchführen
mußte, rutschte Larry Brent aus.
Auch Tanner
hatte noch nicht wieder den richtigen Stand, so daß er den momentanen Vorteil
nicht nutzen konnte.
Brent kam
blitzschnell wieder in die Höhe. Für Tanner eine Sekunde zu früh.
Die Waffe war
auf Larry gerichtet, und X-RAY-3 stieß seinen rechten Unterarm voll gegen die
Schußhand, um die Kugel abzulenken.
Tanners Hand
flog herum. Larry umklammerte sie und drückte den Widersacher zurück. Tanner
verlor den Halt, taumelte, merkte, daß er über den Bootsrand geworfen werden
sollte, und beging einen verhängnisvollen Fehler.
Er drückte
ab, weil er sich nicht entschließen konnte, die Waffe fallen zu lassen. Dabei
entging ihm im Eifer des Gefechts, daß die Mündung genau auf seinen Kopf wies!
Der Schuß
krachte.
Tanner wurde
im gleichen Augenblick steif wie ein Brett. Er stand kerzengerade da, zwischen
seinen Augenbrauen färbte sich das kleine Einschußloch rot.
Tanner kippte
nach hinten. Er hielt die Waffe noch im Tod in der Hand, als er über den
Bootsrand stürzte, und das Wasser über ihm zusammenschlug.
●
Larry atmete
schnell.
Wasser stand
im Boot, und der Rand ragte nur noch einige Zentimeter über die
Meeresoberfläche.
Hastig begann
er mit bloßen Händen einen Teil des Wassers nach draußen zu schöpfen.
Inzwischen
war es dunkel geworden, und winzige, verschwommene Lichter in der Ferne zeigten
ihm, wo das Ufer
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