0341 - Keiner kennt die Todesstunde
Hauses, das jenseits des Zaunes lag, langsam auf ging und ein Mann vorsichtig, als ob er nicht gesehen werden wollte, den Kopf herausstreckte. Rod Blaine duckte sich hinter einer Reihe von Mülltonnen. Eine halbe Minute später ging die Tür abermals auf. Ein älterer Mann erschien und hielt die Tür auf. Zwei andere, jüngere Männer trugen langsam eine anscheinend leblose männliche Gestalt auf einen dicht vor der Hintertür parkenden Wagen zu, dessen Kofferraum der Alte inzwischen öffnete. Verwundert sah Blaine dem merkwürdigen Treiben zu. Bis es ihm heiß und kalt über den Rücken lief: Die leblose Gestalt die dort von zwei Männern getragen wurde, war die des Detektiv-Lieutenants Harry Easton! Rod Blaine fuhr in die Höhe wie von einer Tarantel gestochen.
***
Sergeant Edwin Schulz wartete auf Easton.
Von der Straße her näherte sich ein älterer Mann der Einfahrt. Gleich darauf tauchte Doc Unlaine hinter dem Mann auf und gestikulierte aufgeregt. Schulz verstand nicht, was das lebhafte Schwenken der Arme bedeutete, aber er setzte sich in Bewegung. Dabei kam er an dem alten Mann vorbei, der durch die Einfahrt in den Hof kam. Schulz streifte ihn mit einem flüchtigen Blick. Der Alte sah kränklich aus.
»Was ist los, Doc?« erkundigte sich der Sergeant.
»Wer ist dieser alte Mann, der eben an Ihnen vorbeiging?«
»Ich habe keine Ahnung. Vermutlich einer der Hausbewohner oder jemand, der einen Hausbewohner besuchen will.«
»Hören Sie, Schulz, mit dem Kerl ist etwas faul! Oberfaul sogar, möchte ich sagen! Passen Sie auf: Easton unterhielt sich mit mir vorn in seinem Wagen. Plötzlich taucht der Alte in der Einfahrt auf, sieht sich ängstlich um und läuft die Straße hinab. Easton wurde richtig nervös. Er hatte vorher beobachtet, daß der Mann von seinem Fenster aus die Straße im Auge behielt. Vielleicht war ihm das verdächtig vorgekommen. Jedenfalls ging er ins Haus und sprach mit dem Alten. Er hoffte, der Kerl hätte vielleicht den Mörder gesehen, als er die Leiche in die Einfahrt brachte, verstehen Sie?«
»Ja, das ist mir klar. Und? Hat der Alte etwas gesehen?«
»Angeblich nicht! Er behauptete, er wäre überhaupt erst durch die vielen Polizeisirenen vor dem Haus wach geworden.«
»Donnerwetter!« rief Schulz. »Der Kerl lügt ja! Wir sind doch ohne Sirenen gekommen!«
»Dadurch wurde Easton ja auch neugierig, als der Alte die Straße hinablief. Easton stieg aus und folgte ihm! Und jetzt, Schulz, jetzt frage ich Sie: Wo steckt der Lieutenant? Der Alte ist wieder da, aber wo bleibt Easton?«
Der Sergeant trat erschrocken einen Schritt zurück. Er war plötzlich blaß geworden.
»Mann«, murmelte er. »Bleiben Sie hier. Ich schicke Ihnen zwei Leute. Zeigen Sie denen, in welche Richtung Easton ging. Sie sollen ihn suchen. Unterdessen knöpfe ich mir den Alten vor.« Schulz rannte in den Hof zurück, rief zwei Beamte der Mordkommission und schickte sie zu dem Arzt, während er selbst die Stufen der Haustür hinaufpreschte. Er erkannte schnell, welche Tür zu der nach vorn gelegenen Wohnung gehören mußte, und klopfte mit der Faust zweimal dagegen.
Die Tür wurde nach wenigen Sekunden geöffnet. Das zerfurchte Gesicht des alten Mannes sah ihn fragend an.
»Guten Morgen, Sir«, sagte Schulz und war die Höflichkeit in Person. »Entschuldigen Sie, daß ich Sie störe. Ich bin der Detektiv-Sergeant Edwin Schulz von der vierten Mordkommission. Draußen im Hof wurde die Leiche eines ermordeten Mädchens gefunden, und jetzt müssen wir selbstverständlich Nachforschungen anstellen. Würden Sie mir ein paar Minuten Ihrer Zeit schenken?«
»Aber selbstverständlich, Mr. Schulz«, erwiderte der Alte und zog die Tür weiter auf. »Bitte, kommen Sie herein.«
Der Sergeant nahm den Hut ab und trat über die Schwelle. Er bekam einen Platz angeboten und setzte sich.
»Hübsch haben Sie es hier«, meinte Schulz mit einem raschen Blick in die Runde. »Liegen alle Zimmer Ihrer Wohnung zur Straße hin?«
»Alle«, bestätigte der Alte und setzte sich auf die vordere Kante eines Schaukelstuhls.
»Entschuldigen Sie«, lächelte der Sergeant verlegen, »aber ich muß von unserer Unterhaltung eine Aktennotiz anfertigen: Wie ist doch gleich Ihr Name?«
»Charles Renier«, sagte der Alte ausdruckslos. »Ich stamme von kanadischen Franzosen ab.«
»Aha«, nickte Schulz. »Nun, ich will Sie nicht lange auf halten. Wenn Sie gestatten, komme ich also gleich zur Sache. Haben Sie heute nacht gehört, daß ein
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