0341 - Keiner kennt die Todesstunde
Kaum hat er mal durch viel Glück einen geschnappt, möchte er ihm am liebsten alle Verbrechen der letzten zwei Jahre anhängen. Aber Sie haben Pech, Cotton! Ich habe Dorrit nicht umgebracht, und ich wünsche mir nur noch eins, daß dieser Hund gefaßt wird. Dorrit war im Grunde genommen ein netter Kerl…« »Edwards nicht?« fiel ich ihm scharf ins Wort.
Er verzog höhnisch den Mund und zuckte nur die Achseln.
»Wo ist mein Jaguar, Marvin?« fragte ich.
»Keine Ahnung!«
»Wo ist das Jagdgewehr, mit dem Sie Edwards erschossen haben?«
»Suchen Sie es doch!«
»Das werden wir tun, Marvin. Robert, setzen Sie sich mit der Staatsanwaltschaft in Verbindung, lassen Sie sich umgehend einen Haussuchungsbefehl besorgen und filzen Sie seine Wohnung. Timmy, sobald wir mit ihm fertig sind und der Arzt ihn untersucht hat, gehen Sie mit ihm ins Vernehmungszimmer. Was uns vor allem interessiert, wissen Sie ja jetzt. Fragen Sie ihn nach allen Details. Und lassen Sie sich Eastons Versteck nennen!«
»Ich werde es versuchen«, erwiderte der Vernehmungsspezialist.
»Mr. Donelly übergebe ich eurer Obhut«, sagte ich zu den Kollegen von der Aufsicht im Zellentrakt. »Ein paar Stunden in der Einsamkeit einer Zelle, wo er durch nichts von seinen Gedanken abgelenkt wird, werden seinem Erinnerungsvermögen sicher auf die Sprünge helfen. Nehmt ihn mit. Die Einlieferung unterschreiben wir i? Laufe des Nachmittags, sobald das Wichtigere getan ist.«
Donelly wurde abgeführt. Er ließ die Schultern hängen. Trotz seines teuren Maßanzugs wirkte er auf einmal kümmerlich und armselig.
Marvin wurde vom Arzt untersucht, mit Jod an ein paar Hautabschürfungen eingepinselt und anschließend in den Vernehmungsraum gebracht. Die vier Kollegen, die jetzt noch übrig waren, sandten wir hinab in die 12. Straße. Zwei sollten das Auto von Donelly suchen, das er sicher vor dem Hause weggefahren und irgendwo in der Nähe abgestellt hatte, bevor er allein zu unserer Bewachung zurückgeblieben war, die beiden anderen dagegen würden eine gründliche Haussuchung vornehmen.
Zum Schluß verließ auch der Doc unser Office wieder, nachdem er brummend auch mich behandelt hatte, und plötzlich saßen Phil und ich allein hinter unseren Schreibtischen in einer fast beängstigenden Ruhe. Nach einem langen Schweigen fragte Phil:
»Glaubst du im Ernst, daß Marvin seine Schwester umgebracht hat?«
»Warum nicht? Sie war nicht der Typ, der den Bruder Rauschgiftgeschäfte machen läßt. Er andererseits — das wissen wir ja am besten — er wollte sich um keinen Preis das große Geschäft stören lassen.«
»Und die anderen Mädchen?«
»Jeder Rauschgiftring ist eine weitverzweigte Organisation, Phil, das wissen wir doch. Alle diese Mädchen können aus vierlei Gründen gefährlich geworden sein. Die eine mag süchtig, aber restlos pleite gewesen sein. Süchtige drohen mit allem, wenn man ihnen das Gift nicht geben will. Eine andere war vielleicht unter den Endverkäufern und interessierte sich zu sehr für die Lieferanten. Es gibt viele Erklärungen, und wir werden die richtigen schon noch aus den sieben Häuptern der Bande herausholen.«
»Und die Zettel mit den roten Teufeln?«
»Ablenkungsmanöver, weiter nichts«, sagte ich wegwerfend. »Da in Boston eine von allen Zeitungen ausgeschlachtete Mordserie die Gemüter erregt, liegt der Gedanke für ein Verbrecherhirn nahe, Bandenmorde als Taten eines Einzelgängers zu frisieren.«
»Hm…« brummte Phil, und ich hörte dem Ton an, daß er nicht überzeugt war. »Was ist deiner Meinung nach mit Easton los?«
»Das gleiche wie mit uns: Er kam durch die Nachforschungen im Mordfall Dorrit Marvin auf irgendeine Spur und hatte das Pech, ebenso überrumpelt zu werden wie wir.«
Phil stand auf. Er trat ans Fenster. Mir fiel etwas ein, und ich ärgerte mich, daß ich es nicht längst getan hatte. Also holte ich es schleunigst nach: Ich gab die Suchmeldung nach meinem Jaguar auf. Als ich den Hörer wieder aus der Hand legte, setzte sich Phil bei mir auf die Schreibtischkante.
»Du liegst hoffnungslos schief, Jerry«, verkündete er.., »Marvin kann seine Schwester niaht umgebracht haben.«
»Warum nicht?«
»Weil sie der einzige Mensch war, an dem er wirklich hing. Und wenn ihm in seiner Kokainsache nicht das Wasser bis an den Hals gestanden hätte, wäre er vermutlich längst zusammengebrochen und ließe seinen Schmerz sich austoben.«
Ich rieb mir die Augen. Müde sagte ich zu meinem Freund:
»Aber,
Weitere Kostenlose Bücher