0347 - Satans Mädchenfänger
reagierte unwillig. »Erstens ist er nicht mein Chester, und zweitens…« Er winkte ab. »Lassen wir das. Einen Ungläubigen kann man eben nicht überzeugen.«
Ich deutete auf den Eingang. »Wollen wir uns das Häuschen nicht mal von innen anschauen?«
»Natürlich.« Suko war nicht so recht bei der Sache, das merkte ich ihm an. Er dachte zu sehr an Chester Kwan und dessen Verschwinden. Auch ich wurde allmählich mißtrauisch. Wenn Suko so reagierte, mußte etwas an dem Fall dran sein.
Das Haus hatte uns geschluckt.
Dunkelheit, der Geruch nach Beton und noch nassem Kalkanstrich empfing uns. Geradeaus sahen wir eine dunkle Höhle. Es war einer der beiden leeren Fahrstuhlschächte. Man hatte noch keine elektrischen Leitungen verlegt, und ein Geländer existierte ebenfalls nicht.
Dafür die Treppen.
Schwebend, aus Beton gegossen, zogen sie sich wie ein Zickzack-Mosaik in die Höhe. Wahrscheinlich schon bis zum Dach. Suko und ich hatten unsere starken Taschenlampen hervorgeholt. Wir leuchteten den Treppenschacht hoch. Irgendwann in den nächsten Etagen verlor sich der Lampenschein in der Finsternis.
Man sagt, daß alte Bauten, Häuser oder Keller unheimlich wirken.
Auch dieser Neubau machte auf mich einen unheimlichen Eindruck.
Er war so kalt, so tot, so leer.
»Gehen wir in den Keller!«
Das hatte ich auch vorschlagen wollen, Suko war mir zuvorgekommen. Er schritt auch als erster die geländerlose Treppe hinab.
Rechts, wo später mal der Handlauf angebracht werden würde, schauten wir in den Kellervorraum, wo Sand, Zement und einige Holzbalken lagen, die zur Verschalung verwendet wurden.
Taubeneigroßer Mörtel bedeckte die grauen Stufen, die wir hinabschritten. Er zerknirschte unter unseren Schuhsohlen. Ein breiter Durchlaß öffnete sich nach der Treppe.
Suko leuchtete hinein.
Der Strahl verlor sich in einer unheimlich und kalt wirkenden Leere des Kellerflurs.
Hier war also auch nichts zu finden. Wenigstens nichts von den Teufelanbetern, die angeblich in dieser Nacht ihre Schwarze Messe feiern sollten.
Suko hatte noch immer einen kleinen Vorsprung, tauchte als erster in die Dunkelheit und blieb schon nach wenigen Schritten stehen, wobei er den Lichtkegel seiner Lampe mit der Hand abdeckte.
»Was ist los?« flüsterte ich hinter ihm.
»Zwei Dinge«, erklärte er und deutete zu Boden. »Da, schau dir die Abdrücke an.«
Ich blickte hin und mußte zugeben, daß sich mein Freund nicht getäuscht hatte. Tatsächlich sah ich die Abdrücke von Schuhen auf dem Boden. Ziemlich deutlich sogar hoben sie sich von der dünnen Staubschicht ab.
»Hier muß vor kurzem noch jemand hergegangen sein«, bemerkte mein Freund.
»Wahrscheinlich dein Informant.«
Suko hob die Schultern. Ich wurde ebenso vorsichtig wie er, als wir weiterschritten und dabei den Lichtfinger der Lampe durch unsere Handflächen filterten.
Wir leuchteten auch nach rechts und links. Durch die Spalte zwischen den Fingern drang das Licht gitterartig und malte auch zerfasernde Streifen an die kahlen Wände.
Die einzelnen Keller waren in Fertigbauweise errichtet worden und sahen aus wie Kästen, die man nebeneinandergestellt hatte. In jeden Keller leuchteten wir hinein.
Die meisten waren leer.
In einigen fanden wir Bauschutt, verdreckte Schaufeln und Schubkarren. Wir waren den Gang fast bis zum Ende durchgegangen, als wir es schon rochen.
Eine Alkoholfahne wehte uns entgegen. Sie drang aus der rechten Seite, und wir leuchteten in den entsprechenden Keller hinein, wo eine Gestalt verkrümmt und eingehüllt in einen staubigen alten Mantel am Boden lag. Die Alkoholfahne stammte von einer Lache, neben der der Schläfer lag. Sein wichtigstes Nahrungsmittel, die Ginflasche, war umgekippt und hatte ihren Restinhalt auf den Boden ergossen.
Der Mann wurde auch nicht wach, als ihn zwei Scheinwerferstrahlen trafen.
»Ob der was von Chester gesehen hat?« fragte Suko.
Ich schüttelte den Kopf. »Der ist voll bis zur Unterkante Oberlippe. Ich glaube nicht, daß wir bei ihm etwas erreichen.«
Suko gab nicht auf. »Ich versuche es trotzdem.« Er bückte sich, umfaßte die rechte Schulter des Mannes und rüttelte ihn durch. Ein paarmal mußte mein Freund schon kräftig schütteln, bevor sich der Schläfer überhaupt regte. Dann wälzte er sich auf den Rücken, wobei eine Wolke aus grauem Staub in die Höhe quoll, sich verteilte und auch uns zum Niesen reizte.
»He, ihr Säcke!« grunzte er. »Kann ich nicht mal schlafen? Geht doch auch ins Bett,
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