0349 - Der Satan fordert Lösegeld
fallen.
***
»Mary, ich möchte heute keinen Fruchtsaft zum Frühstück«, sagte Aldergate nach einem kurzen Gruß zu dem Mädchen.
»Keinen Fruchtsaft, Sir?«, wunderte sich Mary und öffnete die Tür zum Speisezimmer.
»Nein, keinen Fruchtsaft«, wiederholte Aldergate noch einmal und zupfte sorgfältig an den Manschetten. »Ich wünsche ein komplettes Frühstück mit Speck, Rühreier und… Na, Mary, Sie wissen ja schon, was ich alles dazu haben möchte. Vergessen Sie aber auch nicht die Croissants wie letzten Sonntag.«
»Ja, aber, Mr. Aldergate, heute ist doch kein Sonntag«, wunderte sich das Mädchen und starrte den Kunsthändler an wie ein Dreijähriger den Weihnachtsmann.
»Sie wissen doch, was der Arzt gesagt hat, dass Sie morgens nur Fruchtsaft nehmen sollen. Und die Ausnahme für Sonntag hat er doch nur Ihnen zu Gefallen gemacht.«
»Aber er hat sie gemacht«, entschied Aldergate fest. »Und heute ist eben Sonntag für mich.«
Aldergate betrat das Speisezimmer und begrüßte schon an der Tür seine Frau und den kleinen Reginald.
Der Junge stand nach einem kurzen Seitenblick auf seine Mutter von seinem Stuhl auf und lief seinem Vater entgegen.
Aldergate beugte sich zu dem Kleinen hinunter und drückte ihn an sich. Dann brachte er ihn an den Tisch zurück, wandte sich an seine Frau und strich ihr übers Haar.
»Ist das nicht ein herrlicher Morgen, meine Lieben?«, sagte Aldergate enthusiastisch und breitete die Arme aus, als wolle er die ganze Welt umarmen. Er setzte sich auf seinen Platz an der Stirnseite des langen barocken Speisetisches.
»Du bist ja blendend gelaunt, John«, sagte Mrs. Aldergate und schenkte ihren Mann einen erstaunten Seitenblick. »So habe ich dich ja lange nicht mehr erlebt.«
»Ich habe auch allen Grund, glücklich zu sein«, sagte Aldergate zufrieden. »Ich kann dir gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass diese Sorge von uns genommen ist. Die Vorfälle gestern waren einfach schrecklich. Aber das ist jetzt überstanden. Und wir wissen genau, dass wir für die Zukunft Ruhe haben werden.«
»Ich kann mir vorstellen, wie sehr du gestern unter all den schrecklichen Vorfällen gelitten hast«, sagte die Frau. »Ich bewundere dich, wie du das alles ertragen konntest. Bestimmt, John, ich wäre mit Sicherheit in Ohnmacht gefallen, wenn ich das gesehen hätte. Mir ist schon übel geworden, als du mir die Geschichte erzähltest.«
»Mary sagt, dass der Mann mit seinem Blut den ganzen Teppich verdorben hat«, plapperte der kleine Reginald, ohne seinen Blick von seinem Teller mit Haferflocken zu heben. »Hat der Gangster auch einen Sandsack gehabt und dem Polypen über den Kopf geschlagen?«
»Reginald!«, tönte es entsetzt von Mrs. Aldergate.
Aldergate fuhr von seinem Sitz hoch, als sei er von der Tarantel gestochen. »Reginald, wie kommst du denn zu diesen entsetzliche Ausdrücken?«, empörte er sich. »Das ist ja unerhört!«
Aldergate starrte seinen Sprössling entsetzt an.
»Wer hat dir diese Sprache beigebracht?«, fragte er streng.
»In den Comics, die ich von Mary kriege, steht immer drin, dass Gangster einen Sandsack haben und die Polizisten damit über den Kopf hauen«, verteidigte sich der Junge und stocherte mit unschuldiger Miene weiter in seinem Haferbrei.
»Und Mary hat mir gesagt, dass der ganze Teppich voller Blut war. Sie hat es kaum wegmachen können, hat Mary gesagt.«
»Kein Wort mehr, Reginald!«, empörte sich Aldergate. Er hatte vor Erregung ein dunkelrotes Gesicht bekommen. »Du wirst deinen Mund halten, verstanden?« Dann wandte er sich an seine Frau.
»Und du, meine Liebe, musst mal ein ernstes Wort mit Mary sprechen.«
Mrs. Aldergate starrte fassungslos und bleich auf ihren Teller.
»So geht das nicht weiter! Der Junge lernt ja Dinge, die einfach unmöglich sind. Auf diese Weise wird seine ganze Erziehung verdorben.«
»Gewiss, John, ich werde mit ihr sprechen«, sagte sie gehorsam. »Du kannst dich darauf verlassen, dass ich sie zurechtweisen werde.«
»Ich überlege gerade, ob wir da nicht eine Änderung vornehmen sollen«, sagte Aldergate.
Er sprach plötzlich französisch, damit der Junge nichts verstehen konnte.
»Ich habe mich schon länger mit dem Gedanken getragen, eine Erzieherin für Reginald zu engagieren. Vielleicht eine jüngere Französin, damit er auch gleich früh mit Fremdsprachen vertraut wird.«
»Muss es denn ausgerechnet eine junge Französin sein?«, erkundigte sich Mrs. Aldergate spitz und warf ihrem Mann einen
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