035 - Das Dorf der Kannibalen
erteilte ihm in einer fremden Sprache einen Befehl, worauf das Unwesen gehorsam davontrottete.
Es dauerte nicht lange, da sah Hunter die Touristen. Nacheinander erschienen sie im Gewölbe. Sie befanden sich ganz eindeutig in einer Art Trance, bekamen überhaupt nicht mit, wo sie waren.
Eva streckte beide Arme aus, murmelte Beschwörungen und malte ein magisches Zeichen in die Luft. Die Touristen drehten sich um und marschierten nacheinander aus dem Gewölbe. Sie glichen seelenlosen Automaten, die einem fremden Willen Untertan waren. Als sie das Gewölbe verlassen hatten, wandte Eva sich wieder Hunter zu.
»Sie werden jetzt zurück zu ihrem Bus gehen. Ich sage die Wahrheit.«
»Geh jetzt hinaus in den Garten! Asmodi erwartet dich. Bitte ihn aber vorher um Verzeihung. Ich werde deine Bitte an ihn weiterleiten.«
Die gebeugte alte und häßliche Frau fiel vor Hunter auf die Knie, senkte den Kopf tief und sprach wieder in der fremden, unverständlichen Sprache. Sie leierte Beschwörungen herunter, schlug sich gegen die Brust und schien sich in Selbstanklagen zu ergehen.
Hunter sah über sie hinweg und entdeckte die vier Kannibalen, die sich langsam in das Gewölbe stahlen. Sie verstanden sicherlich sehr gut, was ihre Gebieterin sagte. Begriffen sie jetzt, daß die Hexe ihre Welt verlassen wollte?
Eva richtete sich plötzlich auf. Sie schien Hunters Gedanken empfangen zu haben. Blitzschnell wandte sie sich um und fuhr zurück, als sie die anschleichenden Kannibalen sah. Wütend kreischte sie Befehle. Doch die Kannibalen reagierten nicht darauf. Gewiß, sie fuhren zuerst gehorsam zurück, doch dann formierten sie sich wieder und kamen staksig auf sie zu.
Die Hexe begriff, daß es um ihr Leben ging. Hastig malten ihre Hände bannende Zeichen in die Luft. Sie stieß Zauberformeln aus, deren Sinn Hunter nicht verstand, und geiferte Befehle. Drei der Kannibalen wichen zurück, duckten sich ängstlich, zogen die Köpfe ein, wurden unsicher, gehorchten schließlich. Der vierte Kannibale hingegen, den Hunter besonders aufgehetzt hatte, reagierte nicht auf die Beschwörungen und Befehle; sie schienen ihn überhaupt nicht zu erreichen. Nahm dieses Unwesen eine Sonderstellung ein?
Da begriff Dorian plötzlich. Dieser Kannibale mußte im Besitz jener Dämonenbanner sein, die man ihm gestohlen hatte. Die Amulette waren in die richtigen Hände geraten. Sie schützten den Kannibalen vor der magischen Kraft der Hexe. Er war nicht mehr aufzuhalten.
Seine klauenartigen Hände griffen nach der Hexe und schlossen sich um ihren mageren, faltigen Hals. Hunter machte für einen kurzen Moment die Augen zu und hörte ein lautes Knacken. Als er die Augen wieder öffnete, sah er die Hexe tot auf dem Boden liegen.
Sie verfiel vor seinen Augen, verformte sich, verlor ihre ursprüngliche Gestalt. Plötzlich roch es nach Feuer. Der Körper der Hexe schrumpfte zusammen, die schäbige Kleidung ging in Flammen auf. Innerhalb weniger Sekunden war sie nur noch ein kleines, rauchendes Häufchen Asche.
Der Kahlköpfige, der sie getötet hatte, stierte auf den Boden und fuhr zusammen, als seine drei Begleiter wie wilde Tiere aufheulten. Sie griffen ihn ohne jede Vorwarnung an. Offensichtlich standen sie noch im Bann der magischen Beschwörungen; vielleicht begriffen sie aber auch gar nicht, warum ihre Gebieterin umgebracht worden war. Sie fielen ihren Genossen an und schlugen ihre spitzen Zähne in sein Fleisch. Der Angegriffene brüllte, wehrte sich und biß zurück. Wilde Tiere waren übereinander hergefallen und waren dabei, sich gegenseitig umzubringen.
Dorian Hunter löste sich von der Wand. Mit dem Tod der Hexe war die Hypnose unwirksam geworden. Er konnte sich wieder frei bewegen.
Er beeilte sich, aus der Reichweite der Kannibalen zu kommen. Sie achteten nicht auf ihn, waren nur mit sich und ihrem Haß beschäftigt. Er lief hastig durch die niedrigen Kellergewölbe und vergewisserte sich, daß sich die überlebenden Touristen nicht mehr in dem unheimlichen Haus befanden.
Die Hexe hatte Wort gehalten. Die Gewölbe waren leer, die Tür zu jenem Keller, in dem die Touristen festgehalten worden waren, stand auf. Hunter stieg über die brüchige Treppe hinauf ins Obergeschoß, blieb stehen und horchte nach unten.
Das Brüllen der Kannibalen war schwächer geworden. Der blutige Kampf schien sich seinem Ende zuzuneigen. Hunter hastete weiter nach oben, und atmete auf, als er auch im Haus nichts von den Touristen entdecken konnte. Wahrscheinlich
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