0356 - Am Schleppseil hing der Tod
bleiben, Menschenkind!«, befahl er und warf Phil einen Blick zu, der etwa bedeuten sollte: Er darf nicht angestrengt werden!
McNoel starrte Phil an, wie eine giftige Schlange und knurrte: »Wenn ich durchkommen sollte, dann werde ich rauskriegen, welche Burschen das waren. Bis jetzt weiß ich es selber nicht. Aber hoffentlich haben sie den verflixten Cop erwischt, diesen Schnüffler. Wäre er nicht gekommen…« Er brach ab. Sein Kopf fiel zur Seite. McNoel röchelte.
Auf dem Flur fragte Dr. Wilkens Phil: »Ist der Bursche verhaftet oder nicht?«
Phil schüttelte den Kopf: »Nein, aber er wird von jetzt an in seinem eigenen Interesse ständig von einem Beamten der Stadtpolizei bewacht. Dass man ihn zusammengeschossen hat, ist Gangsterart. Noch gibt es keinen Grund, ihn zu verhaften. Aber er ist ein wichtiger Zeuge.«
***
Der Lacher saß an der Theke. Er verstummte plötzlich, als ich mich vor ihm auf baute. Er war mittelgroß und schmächtig. Seine Hände waren zierlich.
Ich legte ihm eine Hand auf die Schulter und meinte ironisch: »Na, Kleiner, du brauchst noch nicht mal ’n guten Witz zu hören, um lachen zu können. Bei dir genügt schon ’n Husten, wie?«
Ich hatte mich in dem Kleinen geirrt. Er antwortete nicht. Stattdessen hatte ich allerdings blitzschnell seine kleine rechte Faust am Kinn.
Nun lachten alle.
Diese ungewollt drastische Einführung in Scrows Truckers Inn kam mir sehr gelegen. Langsam richtete ich mich auf, und nach etwa 90 Sekunden hatte ich den kleinen aber zähen Burschen geschafft.
Der Wirt Hal Scrow befahl, den Kleinen in seine Koje zu bringen, die er für die Nacht gemietet hatte.
Der Eindruck meines Trommelfeuers auf den Kleinen schien gewirkt zu haben. Als ich mich an den letzten leeren Tisch setzte, kamen drei Truckfahrer hinzu. Der eine, ein großer dicker Bursche, schob mir eine Flasche Whisky und ein Glas hin.
»Los trink, Boy, du schreibst ’ne gute Handschrift!«
Da stand auch schon Hal Scrow vor mir und sah mich ungerührt an. Sein langes und schmales Gesicht war bleich wie das eines Croupiers. Seine grauen Augen blickten ausdruckslos.
»Du bist zum ersten Mal hier?«, fragte er mich.
Ich nickte und trank das erste Glas aus.
»Du hast dich vorhin ja ziemlich hart vorgestellt, als du Nick Short zusammengeschlagen hast«, meinte Scrow ironisch.
Ich lachte: »Warum behält er seine Kinderpfoten auch nicht bei sich. Man kann doch mal husten!«
Scrow sah mich kalt an und sagte: »Pass auf, dass Nick Short dich nicht auseinandernimmt, wenn er wieder wach ist. Er ist besser als du glaubst. Du hast heute Abend Glück gehabt.«
Ich tat, als hörte ich Hal Scrow überhaupt nicht zu und drehte mich zu meinen Tischgenossen um. »Trinkt ihr hier immer so viel?«, fragte ich und wies auf die halb leere Whiskyflasche.
»Wir tanken uns nur bei Nebel und Glatteis voll«, antwortete der Dicke. »Aber dann schlafen wir hier.«
Scrow tippte mir auf die Schulter. Seine Stimme klang rau: »Du fragst wie ein Polyp und trinkst auf anderer Leute Kosten.« Dann wies er in Richtung der Tür und wollte wissen: »Hast du deinen Truck vorn abgestellt?«
Ich griente ihn gelassen an: »Um dein Verhör abzukürzen… ich habe keinen Truck, ich heiße Tim Haller, stamme aus Ohio und außerdem bin ich hier, um mir einen Job zu suchen.«
Scrow lächelte nachsichtig: »Um diese Jahreszeit werden höchstens Weihnachtsmänner gesucht, aber keine Trückfahrer… das wolltest du doch, oder?«
Der Dicke neben mir mischte sich ein: »Stimmt, Scrow hat recht. Kaum was zu machen. Die Bosse sind jetzt auch misstrauisch, weil immer wieder Trucks samt Ladung und Fahrer verschwunden sind. Die nehmen nicht jeden.«
Hal Scrow, der im Begriff war, zur Theke zurückzugehen, drehte sich um und sagte, zu dem Dicken gewandt, ironisch: »Red nicht so ’n Quatsch! Weiß der Kuckuck, wo und wie die Burschen die Wagen samt Ladungen verkauft haben.«
Ich trank inzwischen noch einen Whisky.
Meine Aufmerksamkeit richtete sich jetzt auf ein Mädchen, das zur Tür hereinkam.
»Du kommst aber reichlich spät«, raunzte Scrow sie an.
»Hab ich diesen Nebel erfunden?«, fauchte sie zurück und ging hinter die Theke, legte den Mantel ab und band sich eine weiße Schürze vor.
»Sie ist die Freundin von Nick Short«, sagte der Dicke neben mir und grinste »Wenn Betsy davon hört, kannst du was erleben.«
In diesem Augenblick wurde die Tür aufgestoßen. Herein kam ein etwa 40-jähriger Truckfahrer im
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