0356 - Die Frau, die zweimal starb
Militärfahrzeuge vor den Häusern stehen. Dann erreichten wir den Bahnhof. Er war größer als der von Hacea. Auf dem Bahnhofsgebäude wehte die rumänische Flagge stolz an einem Mast im Winterwind.
Zahlreiche Fahrgäste stiegen aus, nur wenige ein. Unter anderem fünf Soldaten, die ihr Gepäck in Rucksäcken mit sich schleppten. Ich hatte das Fenster geöffnet und ließ die frische Luft in das Abteil strömen.
Dabei schaute ich auch nach rechts in Fahrtrichtung. In der relativ klaren Luft konnte ich ziemlich weit schauen. Ich sah hinter dem Bahnhof den hohen Berg, der auf dem Schienenstrang zu stehen schien.
Da dies nicht möglich war, rechnete ich damit, wieder in einen Tunnel zu fahren.
Ein Pfiff gellte.
Türen wurden geschlossen. Der Zugführer ließ seine kontrollierenden Blicke noch einmal über den Bahnsteig gleiten, fand alles in Ordnung und gab das Zeichen zur Abfahrt.
Ich trat einen halben Schritt zurück und zog die Scheibe nach oben. Danach ließ ich mich wieder in den Sitz fallen, machte es mir bequem und dachte daran, daß mir bis Klausenburg noch fast eine Stunde Zeit blieb. Danach ging es dann mit dem Flugzeug weiter.
Ich schaute wieder aus dem Fenster, sah den Bahnsteig vorbeihuschen und nahm ihn eigentlich nicht wahr, weil sich meine Gedanken bereits mit London beschäftigten und ich auch überlegte, was wir mit Ali, dem vierzehnjährigen Jungen, machen sollten. Wir konnten ihn schlecht in London behalten, auch wenn sich die Conollys bereiterklärt hatten, ihn vorerst bei sich aufzunehmen.
Der Bahnhof verschwand hinter uns, die Berge rückten näher, und nach einem schrillen Warnpfiff schluckte uns der Tunnel.
Schlagartig wurde es wieder finster. Die Wagen schaukelten über die Gleise. Von der Hinfahrt wußte ich noch, daß wir jetzt durch den längsten Tunnel auf der Strecke fuhren.
Ich hatte mich entspannt hingesetzt, dachte an nichts Böses, und wurde Sekunden später von den Ereignissen voll überrumpelt.
Jemand hatte die Notbremse gezogen.
Eine Sekunde später war das Chaos perfekt!
***
Bill Conolly schaute auf seine Uhr.
»Was hast du?« fragte Sheila.
»Ob ich sie jetzt besuche?«
Sheilas Gesicht drückte Zweifel aus. »Wie? Vor dem Konzert noch?«
»Ja.«
»Das kannst du doch nicht machen, Bill.«
»Wieso nicht? Wir haben fast noch eine halbe Stunde Zeit. Ich will ihr auch nur sagen, daß sie nach dem Auftritt auf mich warten soll. Das ist alles.«
»Und du meinst wirklich, das tut sie?«
Bill grinste wie das berühmte Honigkuchenpferd. »Bei meinem Charme sicherlich.«
»O Gott, mir wird ganz anders«, stöhnte Sheila und preßte ihren Handballen gegen die Stirn.
»Du kannst ja schon in den Saal gehen und den Platz anwärmen. Ich komme in einer Viertelstunde.«
Sheila stöhnte auf. »Meinetwegen. Ich weiß ja Bescheid. Wenn ich dir deinen Wunsch nicht erfülle, bist du den ganzen Abend über sauer. Schließlich kenne ich dich lange genug.«
»Das ist nett.«
»Geh schon und lasse deinen Charme spielen!« lachte die blonde Sheila, die an diesem Abend eine schwarze Hose trug und über dem ebenfalls schwarzen Top eine rote Seidenjacke gestreift hatte, die ihr über die Taille reichte.
»Ich danke dir. Bis gleich.«
Bill, im dunkelblauen Anzug, verschwand. Er wunderte sich wieder einmal, wie das Schicksal seine Fäden gezogen hatte. Da wollte er mit seiner Frau zu einem Klavierkonzert gehen, schon rief Myxin an und erkundigte sich, ob Bill mit der Pianistin ein paar Worte wechseln und sie zu einem Treffen mit dem kleinen Magier überreden konnte.
Irgendwie war das verrückt, aber Bill liebte diese Dinge. Er war ein Action-Mann, bei ihm mußte immer etwas los sein, sonst war das Leben viel zu langweilig.
Das Foyer, in dem die Besucher des Konzerts flanierten und sich von anderen bestaunen ließen, lag oberhalb der kleinen Konzerthalle. Um den Raum zu erreichen, mußte man eine Treppe hinuntergehen. Aber hier ging man ja nicht, sondern schritt, deshalb fiel Bill Conolly auf, als er sich so hastig bewegte.
Er wußte zwar, wo das Podium und damit auch die Bühne lag, wie er zu den Garderoben kam, war ihm leider unbekannt. Deshalb blieb ihm nichts anderes übrig, als sich durchzufragen.
Ein Saaldiener schaute ihn scharf an, denn mit einer Antwort wollte er nicht herausrücken.
»Presse«, erklärte Bill und holte seinen Ausweis hervor. »Ich habe mit der Gabriela di Fanti noch etwas zu bereden.«
»Jetzt?«
Bill lachte entwaffnend. »Kein Interview, nur eine
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