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0356 - Die Frau, die zweimal starb

0356 - Die Frau, die zweimal starb

Titel: 0356 - Die Frau, die zweimal starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Gott, hatte ich geschluckt. Diesen Gang über den Weihnachtsmarkt würde ich nie vergessen, das heißt, das letzte Drittel schon, denn da hatte ich fast einen Blackout. Gesichter, Lichter, Trinksprüche, das alles hatte sich zu einem furiosen Wirbel vereinigt, dem das Erwachen folgte. Der Kater hockte mir im Nacken, wollte einfach nicht weichen, und so dauerte es einen halben Tag, bis ich mich schließlich erholt hatte.
    Mittlerweile hatte Marek ein Gespräch nach London angemeldet.
    Der Pfähler fühlte sich besser als ich. Kein Wunder, er war das Selbstgebrannte Zeug schließlich gewohnt und nahm Obst sowieso am liebsten in flüssiger Form zu sich.
    Mit dem Zug mußte ich wieder zurück und konnte anschließend mit einer Militärmaschine weitergeflogen werden. Es war alles ein wenig kompliziert, ließ sich aber nicht ändern.
    Der Zug fuhr am frühen Nachmittag ab. Bis zum Bahnhof hin eskortierte man mich, es fehlte nur noch eine Musikkapelle. Darauf hatte man zum Glück verzichtet.
    Mir brummte noch immer der Schädel. Vielleicht auch wegen der Nachwirkungen des Schlages, der mich ins Reich der Träume geschickt hatte, denn die Alkoholverdunstungsstunde lag mittlerweile hinter mir.
    Der Zug war noch nicht eingefahren. Wir standen auf dem Bahnsteig und froren.
    Es war zugig hier und auch kälter geworden. Die fernen Berge verschwammen im Nebel. Überall lag Schnee, und nur die Gleise sahen aus wie braune Lineale, die in ein weites, flaches Land vorstießen, um den Horizont erforschen zu wollen.
    Noch einmal stellte man mir Fragen. Man erkundigte sich nach meinen Abenteuern, und ich gab Antworten, so gut ich konnte, ohne zuviel zu verraten.
    Wie es aussah, würden sich die Leute an Marek halten, wenn ich unterwegs war. Der Pfähler konnte ihnen genug berichten, auch von unseren Vampir-Abenteuern, die wir gemeinsam erlebt hatten.
    Der Schnee knirschte bei jedem Schritt.
    Ich trat auf der Stelle, hauchte manchmal in meine Hände und hörte Marek leise lachen. »Ja, der Winter in diesem Land ist hart. Er dauert manchmal sehr lange. Oft bis in den April hinein. Wenn du Sonne haben willst, mußt du ans Schwarze Meer fahren.«
    »Ja, besuchen Sie uns im Sommer«, sagte einer der Polizeibeamten. »Wir würden uns freuen.«
    »Urlaub ist Luxus«, erwiderte ich.
    Jemand hielt mir eine Flasche hin. Der gute Mann hatte wohl gesehen, daß ich fror.
    »Hier, nehmen Sie einen Schluck.«
    Entsetzt winkte ich ab und schüttelte heftig den Kopf. »Wollen Sie mich vergiften?«
    Die Umstehenden lachten, als sie das hörten, und in ihr Lachen gellte der Pfiff der Lok.
    Der Zug kam.
    Ich fuhr noch mit einer herrlich alten Dampflok, die ihren weißen Qualm wolkenartig aus dem Schornstein in die Luft pumpte. Die Wagen kamen mir vor, als entstammten sie noch aus den Anfängen unseres Jahrhunderts.
    Ich besaß eine Fahrkarte für die 1. Klasse und würde dort bestimmt ein Abteil für mich haben. Hundertprozentig fit fühlte ich mich noch immer nicht. Deshalb hatte ich mir vorgenommen, im Zug einige Zeit die Augen zu schließen.
    Wir traten von der Bahnsteigkante zurück und schauten dem schwarzen Ungetüm von Lok entgegen, die immer größer wurde.
    Fauchend, zischend und rumpelnd rollte der Zug in den kleinen Bahnhof. Aus einem schmalen Fenster schaute der Kopf des Lokführers. Der Mann grinste, als er die zahlreichen Menschen sah.
    »Ja, mein Freund«, sagte Marek, »dann müssen wir uns verabschieden.«
    Er legte mir beide Hände auf die Schultern. »Mach’s gut, Geisterjäger, und grüße mir deine Freunde.«
    »Danke, Frantisek. Halte auch du die Augen offen.«
    »Sicher. Bald ist Weihnachten«, sagte er plötzlich. »Ich hätte es gern mit Marie gefeiert.« Er hob die Schultern, und ich sah plötzlich Tränen in seinen Augenwinkeln.
    Tief holte ich Luft. Marek hatte es noch immer nicht überwunden, daß seine Frau den Tod gefunden hatte. Und zwar durch meine Hand. Ich hatte sie erlösen müssen, da sie zu einem Vampir geworden war. Diese Tat hatte zu den schlimmsten meines Lebens gehört.
    »Es tut mir leid«, preßte ich hervor. »Wenn du nach London kommen willst, wir schicken dir gern eine Flugkarte.«
    »Nein, John, einen alten Baum verpflanzt man nicht. Mein Platz ist hier in Rumänien. Ich werde nach Petrila zurückkehren. Dort habe ich gute Freunde. Am Heiligen Abend und zu Weihnachten werde ich dann zum Grab gehen. Alles Gute.« Er umarmte mich.
    Verdammt, ich hatte mich an den guten Marek gewöhnt. Wenn ihm etwas passierte,

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