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0356 - Die Tarot-Hexe

0356 - Die Tarot-Hexe

Titel: 0356 - Die Tarot-Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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sie ringsum auf den Pflastersteinen niederfielen. Sie wollte etwas sagen, aber Zamorra ergriff ihre Hand.
    »Nicht«, flüsterte er kaum hörbar. »Bleib ruhig. Sie handelt unter einer Art Zwang. Nicht sie beherrscht das Tarot, sondern das Tarot sie, Nici…«
    Sein Amulett verriet es ihm. Es spürte die magische Kraft, die impulsartig aus dem Tarot kam und Ysabeau kontrollierte, um ihr – und damit den anderen – etwas zu zeigen. Aber gleichzeitig verzichtete das Amulett auch auf einen Alarm. Die aufgespürte Magie war neutral. Sie war nicht bösartig.
    Wahrsagerei war schon immer neutral gewesen, wenn man sie nicht bewußt mißbrauchte. Aber bei einem Mißbrauch hatten die Prophezeiungen dann auch niemals gestimmt…
    Die blonde Zigeunerin kauerte sich zwischen die ringsum verstreuten Karten, nahm eine nach der anderen und legte sie verdeckt vor sich in einem bestimmten Muster aus. Ihr Gesicht verriet zunehmende Verwirrung, je mehr Karten sie nahm.
    »Sie begreift das nicht«, flüsterte Zamorra Nicole zu. »Sie ist bestürzt, weil etwas sie zwingt, so viele Karten zu nehmen…«
    Bei der fünften hörte Ysabeau auf.
    Und langsam, der Reihe nach, begann sie sie aufzudecken.
    Die Sonne. Der Tod.
    Das hatten Zamorra und Nicole fast schon erwartet. Wenn die beiden Karten bisher eine Rolle gespielt hatten, mußten sie zwangsläufig auch jetzt wiederkehren, oder das Orakel stimmte nicht.
    Die dritte Karte – der Gehängte!
    Die vierte – der Turm!
    Und die fünfte – der Teufel!
    ***
    »Was bedeutet das?« flüsterte Nicole überrascht.
    Langsam hob Ysabeau den Kopf. Ihre Hände zitterten immer noch. »Ich bin mir nicht sicher«, sagte sie leise. »Aber die Reihenfolge besagt schon einiges. Der Turm zeigte sich mir, als ich den Drang verspürte, hierher zu kommen. Er kann für Zerstörung stehen… vielleicht aber auch als Direktsymbol. Der Gehängte folgt aus dem Tod in direkter aufsteigender Linie. Das heißt, daß tatsächlich eine Art Erneuerung stattfinden wird an jenem Mann, für den die Karte steht. Eine Erneuerung in jeglicher möglicher Form…«
    »Das heißt, bei direkter Symbolik, er könnte auch sterben?«
    »Er – oder der, mit dem er zu tun hat. Das sind Sie, Professor«, sagte die Tarot-Hexe leise. »Der Turm… das ist hier. Es ist eindeutig. Es ist eindeutig. Es war schon einmal hier, und es wird hier sein. Château Montagne… die Brände… dies ist der Ort, an dem die Veränderungen stattfinden werden, ganz gleich, was dabei herauskommt.«
    »Und der Teufel?« fragte Nicole. »Ist das auch ein Direktsymbol, oder… ?«
    Zamorra lächelte. »Die Karte ›der Teufel‹ steht in der herkömmlichen Deutung, wenn ich mich recht entsinne, für Sex, für Geschlechtlichkeit. Aber ich bin nicht sicher, ob das hier in Frage kommt.«
    »Es hat eine direkte Bedeutung«, flüsterte die Hexe. »Der Teufel hat seine Hand im Spiel. Er ist mit dabei, er zieht die Fäden dieser Veränderung…«
    »Reizende Aussichten«, sagte Zamorra. Er betrachtete die Karten wieder.
    »Wie ich schon sagte – ich bin kein Experte für das Tarot, und ich habe mir bisher auch noch nie die Karten legen lassen. Aber mir fällt auf, Mademoiselle Ysabeau, daß Sie nur die großen Arcana verwenden. Haben Sie zu den kleinen keine Beziehung?«
    »Das Tarot läßt sich nicht zwingen«, sagte Ysabeau. »Wenn sich nur die großen Arcana zeigen, kann ich die kleinen nicht ziehen. Ich müßte mich mit Gewalt meiner inneren Führung widersetzen, und es würde das Bild verfälschen. Es ist auch schon vorgekommen, daß ich nur aus den kleinen Arcana schauen konnte…«
    Nicole sah Zamorra fragend an. »Wo ist der Unterschied?«
    »Die großen Arcana sind die zweiundzwanzig Trumpfkarten des Tarot, die kleinen sind Farben und Zahlen. Letztere zeigen positive oder negative Tendenzen an. Würde auf diese Folge«, er deutete auf die fünf ausgelegten Karten, »jetzt die Pik-neun kommen, wüßten wir, daß diese Veränderung auf jeden Fall den Tod nach sich zieht. Und vermutlich für alle Beteiligten. Die Schwerter, als Pik, bedeuten Unglück, Neun wäre die Todeskarte. Acht ist…«
    Ysabeau machte eine wegwerfende Handbewegung.
    »Zahlen und Farben sind nicht erschienen«, sagte sie. »Es ist also müßig, darüber nachzudenken.«
    »Und wenn Sie die Karten nun noch einmal speziell daraufhin befragen?« warf Nicole ein.
    »Ich bin nicht sicher, ob ich so versessen darauf bin, die Zukunft im 68 voraus zu wissen«, sagte Zamorra abwehrend.

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