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0359 - Meine Henkersmahlzeit

0359 - Meine Henkersmahlzeit

Titel: 0359 - Meine Henkersmahlzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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drückte die Tür zur Dusche auf, betrat den Raum und wollte die Tür schon wieder schließen, als mich Glendas Stimme davon abhielt. »John, komm mal eben.«
    Ich verdrehte die Augen und spürte, wie mein Magen ein wenig höher wanderte, weil ich mich zu hastig bewegt hatte.
    »Da ist jemand.«
    »Wer denn?« Meine Stimme klang ziemlich unwillig.
    »Ein kleiner Junge.«
    Ich wollte schon lachen, stoppte die Reaktion bereits im Ansatz und hob die Schultern. Natürlich konnte mich ein kleiner Junge besuchen. Weshalb sollte Glenda da lügen?
    Es konnte auch Ali sein. Ich hatte ihn in Marokko kennengelernt.
    Er war ein Waisenkind, vierzehn Jahre alt und durch Zufall in ein schreckliches Abenteuer hineingerutscht. Ich hatte ihn nicht allein wieder zurücklassen wollen und ihn mit nach London genommen, wo er jetzt bei der Familie Conolly lebte. Glenda kannte ihn auch.
    Vielleicht aber erinnerte sie sich nicht an ihn und hatte deshalb so fremd reagiert.
    Ich ging aus dem Bad.
    Glenda hatte die Tür noch nicht geschlossen, trotzdem konnte ich den Besucher nicht sehen.
    Dafür schaute ich meinen weiblichen Gast an, der ein nicht wissendes Gesicht gezogen und die Schultern gehoben hatte.
    »Nicht Ali?« fragte ich.
    »Nein.«
    Sekunden später sah ich den Jungen. Er stand auf der Türschwelle, schaute mich an, und ich blickte ihn an.
    Alter und Haarfarbe hielten den Vergleich zu Ali nicht stand, denn dieser Junge hier war blond.
    Sein Blick war klar und offen, die Augen konnte man als blau bezeichnen. Er war auch jünger als der kleine Marokkaner, und ich wollte ihn schon nach seinen Wünschen fragen, als mir etwas auffiel.
    Ich hatte ihn schon einmal gesehen. Aber wann? Verdammt, wenn ich doch nur nicht einen so schweren Kopf gehabt hätte. Die Gedanken wollten einfach nicht fließen. Ich begann zu grübeln und zu überlegen. Wo war mir dieser Junge schon untergekommen.
    »Hallo, John«, sagte er.
    Auch seine Stimme kam mir bekannt vor. Sie erinnerte mich an irgend etwas, der Klang war mir überhaupt nicht fremd. Den hatte ich schon öfter vernommen, aber wie lange lag das zurück?
    Er sagte nichts mehr und ging davon.
    Einfach so. Sein nächster Weg führte ihn zum Lift, dessen Türen noch offenstanden.
    Und ich schaute ihm hinterher. Nichts tat ich, stand da, überlegte und hatte das Gefühl, als wäre mein Kopf mit einem Schwamm ausgefüllt. Der Junge verschwand wieder aus meinem Blick. Er hatte sich noch einmal umgedreht und wissend gelächelt.
    Auch dieses spitzbübische Lächeln erinnerte mich an etwas, das lange zurücklag.
    »John, träumst du?« Es war Glenda Perkins, die an mich herangetreten war, ohne daß ich sie gehört hatte. Sie faßte mich an der Schulter und zog mich zurück in den Flur, während sie die Tür ins Schloß drückte.
    Ich hatte mich an die Wand gelehnt. Mein Gesicht sah aus wie weißes Bratfett. Ich schüttelte den Kopf und murmelte Worte, die Glenda und ich nicht verstanden. Ich kam mir in meiner eigenen Wohnung wie ein Fremdling vor.
    »Mein Gott, John, so schlecht kann es dir doch gar nicht gehen«, sagte Glenda und legte ihre Hände auf meine Schultern.
    »Das nicht. Aber…«
    »Was ist mit aber?«
    »Glenda, dieser Junge, den kannte ich. Den, den habe ich schon einmal gesehen.«
    »Klar, es wird jemand aus der Nachbarschaft gewesen sein.« Sie fing an zu lachen. »Sicherlich hat er dir etwas sagen wollen, doch als er dich dann gesehen hat, wird ihm die Nachricht, die er zu überbringen hatte, wohl vergangen sein.«
    »So kann man es nicht sehen.«
    »Wie dann?«
    »Wenn ich das wüßte«, flüsterte ich und ging in die Küche, wo es bereits nach Kaffee roch. Ich bekam jedoch keinen Appetit, im Gegenteil, mir ging es eher schlechter, da ich intensiv über das Problem nachdachte, das mir das Auftauchen des Jungen bereitet hatte.
    Ich ließ mich auf einen Stuhl sinken und stützte mein Kinn in meine Hände. Mein Blick glitt ins Leere, während meine Gedanken immer wieder um den jungen Besucher kreisten.
    Dieses Gesicht, dieser Blick, dann die Stimme. Das alles kannte ich. Das hatte ich schon gesehen, auch wenn es lange her war, und ich glaubte daran, daß der Junge in meinem Leben schon eine Rolle gespielt hatte. Und zwar eine sehr wichtige.
    Glenda nahm mir gegenüber Platz. »John, es hat keinen Sinn, wenn du hier sitzt und dir den Kopf zerbrichst. Verschwinde unter die Dusche, dann wirst du klarer.«
    »Nein!« brachte ich flüsternd hervor. »Nein, ich werde auch dann nicht klarer.«

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