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036 - Die Hand des Würgers

036 - Die Hand des Würgers

Titel: 036 - Die Hand des Würgers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurice Limat
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verloren. Komm! Bring mich weg von hier, Pascal! Schnell!“
    Monsieur Feras ist auf dem Tisch kraftlos zusammengesunken unter dem Schlag, den ich ihm versetzt habe.
    „Schnell! Wir müssen weg! Wir dürfen keine Zeit verlieren!“
    Faraud bellt schrecklich. Mich packt ein Schwindel, und ich verliere den Kopf. Für mich zählt nichts mehr, weil ich gar nichts begriffen habe. Nur fliehen muß ich, fliehen mit Corinne vor diesem schrecklichen Mann, vor dieser grauenvollen Hand!
    Sie scheint nicht mehr zu wissen, wer sie ist. Und sie scheint auch vergessen zu haben, daß sie eine junge Dame der guten Gesellschaft ist. Sie tobt wie eine losgelassene Furie. Ich weiß nicht, ist es panische Angst oder tierischer Instinkt, der mich antreibt, der mich zur Flucht zwingt. Und ich bin doch nur eine arme Kreatur, die ihr gehorcht, die sie zu retten versucht, die einem obskuren Schicksal ausgeliefert ist, zu dem Monsieur Feras den Schlüssel hat.
    Die Flucht ist ein irres Vorhaben. Jemand öffnet ein Fenster im Haus, macht Licht, ruft um Hilfe.
    „Pascal, meine Schwiegermutter! Ich flehe dich an.“
    Ich verstehe natürlich, daß die Einmischung der alten Madame Vaison die Sache nicht gerade vereinfacht. Man wird kommen, Monsieur Feras bewußtlos geschlagen vorfinden, diese schauerliche Hand entdecken.
    Flucht. Wir rennen in die Nacht hinaus. Nichts existiert mehr für uns, denn wir beide sind einem unerbittlichen Schicksal ausgeliefert, das uns aneinanderkettet: wir werden vom gleichen Dämon gejagt. Und wir rennen immer weiter und entkommen ihm nicht.
    „Du kennst dich doch hier aus. Die Wälder. Die Teiche. Man wird uns nicht finden“, sagt sie nach einer Weile keuchend.
    Ich habe ihr gehorcht. Ich habe sie weggebracht über offene Felder, durch ein Wäldchen, durch fast undurchdringliches Gebüsch. Dort kenne ich Verstecke. Dann biegen wir zu den Teichen ab. Dort kenne ich eine winzige völlig mit Gestrüpp bewachsene Insel, über der ein leichter Nebel liegt.
    „Hier werden sie uns nicht finden.“
    „Glaubst du das wirklich, Pascal? Versteck mich doch, sonst wird er die Hand schicken, um mich zu töten.“
    Warum gebe ich mir nicht Rechenschaft über Corinnes seltsames Benehmen? Sie drängt sich an mich, und sie gleicht in keiner Weise mehr der eleganten, vornehmen und jungen Madame Vaison. Immer spricht sie wieder von der Hand, die uns folgen wird, und ich versuche sie zu beruhigen. Die Nacht ist kühl, und sie zittert im dünnen Nebel, der aus den Teichen aufsteigt. Ich nehme sie in die Arme, um sie wieder zu erwärmen. Welch eine Wonne für einen so armseligen Geliebten, wie ich einer bin! Ich spüre noch immer ihren Kuß, mit dem sie mich in Monsieur Feras’ Haus geschickt hat.
    Ich höre fernes Bellen. Mein Hund. Man sucht uns. Ich kenne Farauds Bellen.
    Sie hat es auch gehört und richtet sich ein wenig auf.
    „Pascal. Er kommt!“
    „Nein, nein, hier wird man uns nicht finden!“
    „Ich sage dir, daß er uns sucht. Und die Hand kommt!“
    Mir scheint, die Hand tauche plötzlich aus dem Nebel auf, eine blutende Hand mit gekrümmten Fingern, die nach Corinnes zarter Kehle zu greifen versucht.
    Faraud bellt nun viel näher. „Man hat mir meinen Hund nachgehetzt“, sage ich. „Sie suchen mich.“
    „Siehst du, das habe ich dir doch gesagt.“
    In der Dunkelheit nähert sie ihr Gesicht dem meinen. „Pascal, du darfst es nie zulassen, daß ich ihnen lebend in die Hände falle“, flüstert sie.
    „Aber ich bitte Sie, Corinne! Das dürfen Sie doch nicht sagen!“
    „Schweig! Und tu, was ich dir sage, Pascal. Eine Hand hast du ja noch, und mir ist es viel lieber, von deiner Hand zu sterben, als …“
    „Corinne, bitte nicht!“
    „Es muß sein, Pascal. Da sind sie. Hörst du? Der Hund! Er hat dich gefunden. Drüben, am Teichufer, ist er. Er wird gleich kommen. Er bringt die Hand mit. Er bringt sie durch das Wasser, durch die Nacht, und die Hand wird mich erwürgen. Ich will aber so nicht sterben, Pascal! Rette mich, Pascal!“
    Sie löst sich plötzlich aus meinen Armen und ergreift meinen linken Arm. Meine linke Hand, meine lebende Hand, legt sie sich um ihren Hals.
    „Pascal, tu mir den letzten, den größten Dienst! Sonst wird er mich der Hand ausliefern!“
    Und von da an weiß ich nicht mehr, was geschehen ist.
     

     
    „Jawohl, Herr Richter, das weiß ich. Meine Verantwortung ist sehr groß. Ich habe zu lange gewartet. Sonst hätte ich das Verbrechen vielleicht verhindern können, sofern es

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