0361 - Gangstermord vor hundert Zeugen
bitten.«
Formvollendeter hätte das auch ein in Ehren ergrauter Butler eines englischen Lords nicht sagen können.
Das Büro, das wir betraten, hätte einer mittelgroßen Schulklasse durchaus als Turnhalle dienen können.
Selbst der riesige Schreibtisch, hinter dem sich ein etwa vierzigjähriger sportlich schlanker Mann erhob, wirkte in diesem Raum beinahe verloren.
Der Fußboden war mit dicken Teppichen ausgelegt.
»Darf ich Sie bitten, Platz zu nehmen. Meine Sekretärin sagte mir eben, daß Sie FBI-Beamte sind. Was hat ein gewöhnlicher Sterblicher wie ich mit einer so berühmten und bekannten Behörde zu tun? Sicher werden Sie mich nicht allzulange auf die Folter spannen.«
Ernest Stecklett strahlte uns an, nur seine hellgrauen Augen zeigten eine eigenartige Mischung von eisiger Kälte und lauernder Zurückhaltung.
Wenn das unser Mann war, stand uns noch einiges bevor.
Wir setzten uns an einen Konferenztisch, an dessen Stirnseite Ernest Stecklett Platz nahm. Einen Augenblick musterten wir uns schweigend. Dann begann ich mit meinen Fragen.
»Mr. Stecklett, uns interessiert ein Telefongespräch, das Sie gestern nachmittag geführt haben.«
»Aber Mr. Cotton — so war doch Ihr Name, ich führe am Tag mehr als hundert Telefongespräche. Glauben Sie, ich könnte mich an jedes einzelne erinnern?«
»Natürlich nicht, ich spreche von einem ganz bestimmten Anruf. Ihr Gesprächspartner war ein gewisser Jan van der Moolen.«
Ich glaubte, ein kurzes Zucken im Gesicht des Maklers bemerkt zu haben, aber er hatte sich sofort wieder in der Gewalt.
»Ich muß Ihnen zu meinem Bedauern sagen, daß ich einen Mann dieses Namens nicht kenne. Daher kann ich auch nicht mit ihm telefoniert haben. Sie müssen einer Verwechslung zum Opfer gefallen sein.«
»Ich muß Ihnen widersprechen, Mr. Stecklett«, entgegnete ich kühl, »weil ich andere Informationen habe. Vielleicht schwinden Ihre Gedächtnislücken, wenn ich Sie daran erinnere, daß alle Gespräche von und zu diesem Haus von der Telefonzentrale vermittelt werden.« Ernest Stecklett verlor nicht einen Augenblick seine Beherrschung.
»Es ist immerhin möglich«, räumte er nun ein, »ich sagte Ihnen ja schon, daß ich einen großen Teil meiner Geschäfte auf telefonischem Wege erledige. Wie soll ich da jedes einzelne Gespräch im Gedächtnis behalten?«
»Mr. Stecklett«, griff Phil nun in das Gespräch ein, »ich glaube, es ist in Ihrem eigenen Interesse, wenn Sie die Karten offen auf den Tisch legen. Sicher wird Ihnen bekannt sein, daß sich das FBI im allgemeinen nicht mit der Aufklärung von Taschendiebstählen oder der Suche nach entlaufenen Töchtern beschäftigt. Jan van der Moolen ist erschossen worden. Sie, Mr. Stecklett, sind nach unseren Informationen der einzige Bürger New Yorks, zu dem van der Moolen Verbindung hatte, wenn auch nur telefonisch. Sicher verstehen wir uns nun besser, und Sie begreifen, weshalb wir an dem Inhalt Ihres Gespräches mit van der Moolen interessiert sind.«
Langsam begann die Beherrschung des Maklers abzubröckeln. Hinter der Fassade deutlich zur Schau gestellter Überlegenheit waren nun Zeichen von Unruhe festzustellen.
»Über was haben Sie gestern gegen 14 Uhr 10 mit Jan van der Moolen gesprochen, und in welcher Beziehung standen Sie zu diesem Mann?« fragte ich.
»Ich glaube, nun erinnere ich mich«, antwortete Stecklett mit einem verlegenen Lächeln, »dieser van der Moolen, wie Sie ihn nennen, gab an, von einem Geschäftsfreund in Europa an mich verwiesen worden zu sein. Ich sollte ihm helfen, hier in New York schneller Fuß zu fassen.«
Sosehr wir auch den Makler in die Enge zu treiben versuchten, der Bursche war aalglatt. Wir baten ihn, vorläufig die Stadt nicht zu verlassen, da wir ihn bestimmt noch einmal aufsuchen müßten. Wir waren sicher, daß der Mann mehr wußte, als er uns angegeben hatte.
Die Lady mit dem tiefdekolletierten Kleid geleitete uns zur Tür, und wir fuhren mit dem Lift hinunter. Mir war eingefallen, daß uns die Kleine in der Telefonzentrale vielleicht noch einen Tip geben könnte.
Diesmal fanden wir den Weg ohne fremde Hilfe. Das pausbäckige Mädchen sah uns neugierig entgegen.
»Miß, Sie kennen doch sicher die hier im Haus tätigen Männer. Können Sie uns sagen, ob Mr. Stecklett außer seiner Sekretärin noch andere Leute beschäftigt?«
»Aber ja«, sie nickte so heftig, daß ihr die blonden Locken in die Stirn fielen. »Mr. Stecklett beschäftigt noch drei Männer. Allerdings sind
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