0364 - Shimadas Höllenschloß
Richten wir uns also auf einen Angriff des Dämons ein.«
Immer wieder wunderte ich mich über die Mentalität meines türkischen Freundes. Mit welch einer Gelassenheit er den Tatsachen entgegensah, war erstaunlich. Aber er hatte recht. Shimada saß im Augenblick tatsächlich am längeren Hebel.
Wir waren natürlich nicht stehengeblieben, sondern den Weg wieder zurückgegangen. Wie viele Räume und Zimmer das Kloster besaß, wußte ich nicht. Es besaß jedenfalls gewaltige Ausmaße.
Mein Vorhaben, Ali Guten Tag zu sagen, verschob ich zunächst einmal. Sollte Shimada angreifen, wollte ich ihn aus der unmittelbaren Gefahrenzone heraushalten.
Noch schritten wir durch einen ziemlich langen Gang. Er verband zwei große Räume miteinander, in denen die Insassen des Klosters meditierten. Mir kam der Gang wie eine Brücke vor. Wenn ich durch die Luken schaute, sah ich wieder die Bläue des Himmels und Vögel in der Luft kreisen.
Immer wieder diese Vögel! Ich wußte selbst nicht, weshalb sie mir auf einmal so interessant erschienen. Vielleicht war es der Kontrast unter dem blauen Himmel, und in diesen Kontrast kam plötzlich Bewegung.
Als hätte zwischen den Tieren eine Bombe eingeschlagen, so spritzten sie nach allen Seiten auseinander. Da ich jedoch keine Bombe entdeckte, mußte dies einen anderen Grund haben.
Zu erkennen war nichts.
Ich blieb stehen.
Yakup merkte dies erst nach einigen Schritten. Auch er stoppte und drehte sich um.
»Was ist los?«
Ich deutete auf das Fenster. »Das kann ich dir nicht genau sagen, aber die Vögel benehmen sich sehr seltsam. Vorhin noch flogen sie ruhig, plötzlich ist alles anders geworden. Und jetzt sind sie verschwunden.«
Als würde die Zeit meine Worte Lügen strafen, so hörte ich sie wieder, entdeckte sie allerdings nicht, denn sie flogen tief und außerhalb meines Sichtbereichs.
Nur ihre krächzenden Laute und ihr Schreien nahm ich wahr.
Im nächsten Moment huschten sie schattengleich an den Fenstern vorbei. Einen Bussard erkannte ich, Falken waren wohl auch dabei.
Außerdem Krähen und Raben, die sich durch ihr heiseres Krächzen bemerkbar machten.
Und schon war der Spuk verschwunden!
Ich schaute Yakup an und sah, daß sein Gesicht noch härter geworden war. Die Falten waren zahlreicher geworden. Er hatte die Hände geballt, die Lippen bildeten einen Strich, und ich glaubte auch, Schweißperlen auf der Stirn glitzern zu sehen.
»Was hast du?«
»Die Vögel«, sagte er leise. »Diese Vögel gefallen mir überhaupt nicht. Sie bedeuten normalerweise Ruhe und Ausgeglichenheit, aber in diesem Fall genau das Gegenteil.«
»Gefahr?«
»Mehr eine Warnung vor einer Gefahr.«
Das war mir alles zu orakelhaft. Außerdem wollte ich einen besseren Sichtwinkel bekommen. »Können wir nicht woanders hingehen, wo wir deutlicher…?«
Yakup hatte mich verstanden. Er faßte meinen Arm, zog mich herum, und mit raschen Schritten verließen wir den Übergang zwischen zwei Klosterbauten. Der Türke führte mich nach links. Er stieß eine Tür auf, die zu einem fast kahlen Raum gehörte. Nur eine Gebetbank stand vor einem großen Fenster.
»Da können wir schauen!«
Das Fenster lag auf der Seite, die dem großen Klostergarten zugewandt war.
Mit wenigen Schritten hatten wir die Scheibe erreicht und blickten hindurch.
Den Schwarm sahen wir nicht. Er hatte die Klostergrenzen bereits überflogen.
Dafür entdeckten wir etwas anderes. Etwas, das wesentlich schlimmer war, mit dem ich allerdings nichts anfangen konnte.
Dafür Yakup.
Deutlich vernahm ich seine geflüsterten Worte. »Das ist die blaue Festung, Shimadas Höllenschloß…«
Noch nie hatte ich davon gehört, und ich schaute auch nicht so ernst, eher verwundert. »Shimadas Höllenschloß?« fragte ich. »Woher kennst du es?«
»Ich kenne es überhaupt nicht. Aber ich habe viel darüber gelesen und gehört. Man kann es als Wohnsitz der Götter bezeichnen. Wer dort lebt, der ist verdammt, er dient dem Schrecken, ist ein Diener des Grauens und ein furchtbarer Dämon, eben Shimada.«
»Und weiter?«
»Ich habe es noch nie betreten…«
»Okay, aber du hast darüber gelesen. Was sagen denn die alten Schriften zu diesem Schloß?«
»Sie warnen, denn es ist nicht das Schloß allein, das ihnen Kummer bereitet. Zu diesem Gebäude gehört auch ein Garten, wie ich gelesen habe. Man nennt ihn den Todesgarten.«
»Ich sehe ihn nicht.«
Yakup begann leise zu lachen. »Das kannst du auch nicht, denn er liegt im Nebel verborgen.
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