0365 - Im Tempel des Todes
würde.
Nicole lenkte das zweite Fahrzeug. Neben ihr saß Bart Fuller, der immer noch zur Zurückhaltung verurteilt worden war. Solange sie nicht hundertprozentig sicher sein konnten, daß das Gift in seinen Adern nicht mehr wirkte, mußte er so ruhig wie möglich bleiben. Zamorra hatte angeordnet, daß Fuller auch beim »Angriff« auf den Tempel zurückzubleiben hatte. Er sollte die Aufgabe übernehmen, den anderen den Rücken zu decken und sie im äußersten Notfall herauszuhauen.
Fuller hatte sich damit abgefunden. Nicht, daß ihm diese Arbeitsteilung sonderlich unangenehm gewesen wäre. Das einzige, wovor er sich fürchtete, war, allein zurückzubleiben. Aber damit würde er fertigwerden. Die anderen rückten vor, um die Bedrohung zu beseitigen, die von dem Tempel ausging. Sie brachten sich in Gefahr und würden aufräumen. Fuller brauchte ihnen später nur zu folgen und konnte risikolos den Schatz abräumen.
Auch, wenn sie zu Fuß vorstießen -jeder würde eine Möglichkeit finden. Notfalls mußte er eben ein dutzendmal hin und her eilen und den Schatz in Teilen zu den Fahrzeugen schaffen. Er würde die anderen schon überreden, daß sie ihm dabei halfen. So ganz hatte ihn dieser Schatz doch noch nicht losgelassen. Er sah ihn in seinen Wachträumen plötzlich wieder greifbar nahe.
Aber da war auch Lucy.
Sie mußte gerettet werden. Was war schon das verdammte Gold und die Diamanten ohne Lucy Dolyn? Allein, nur mit der Erinnerung an ihren Tod, wollte er das Gold auch nicht genießen.
Villeicht war Reichtum doch nicht das Alleinseligmachende…
Nicole ahnte nichts von den Gedanken, die dem Schatzsucher durch den Kopf gingen. Sie bemühte sich, den Anschluß an den vorausfahrenden Wagen nicht zu verlieren. Und zugleich machte sie sich ihre Gedanken über den Tempel.
Wer mochte ihn erbaut haben? Vielleicht war doch etwas dran an der Geschichte von dem Dämon, der dort zu Gold geworden war und nach Zamorras und Nicoles Ansicht nicht tot war, sondern nur schlief. Und jetzt hatte sich der Ssacah-Kult dort eingenistet und den Tempel übernommen.
Was mochte geschehen, wenn der schlafende Dämon erwachte, aus seiner Gruft hervorstieg und feststellte, daß andere den ihm geweihten Tempel übernommen hatten? Das war vielleicht die beste Möglichkeit, selbst mit so wenig Aufwand wie möglich aus der Sache herauszukommen. Mochten sie gegeneinander kämpfen. Die lachenden Dritten würden die Dämon en jäger sein, die hinterher mit den Siegern dieser Auseinandersetzung etwas leichtes Spiel haben würden…
Es war ein Wunschtraum, mehr nicht. Niemand wußte das besser als Nicole selbst. Wahrscheinlich war alles ganz anders, viel bedrohlicher. Sie wußten nicht, was wirklich auf sie wartete. Und wenn sie Pech hatten, war Lucy bereits tot.
Und damit als Schlangen-Zombie zu ihrer Todfeindin geworden, der sie nur noch Erlösung bringen konnten, indem sie ihre untote Existenz beendeten.
Nicole warf wieder einen Blick auf Fuller. Der Schatzsucher schwieg. Er hatte die Augen halb geschlossen.
»Wie weit wird es noch sein, bis der Pfad endet?« fragte Nicole.
Fuller schreckte aus seinen Gedanken auf. »Bitte?«
Nicole wiederholte ihre Frage.
»Vielleicht noch drei, vier Kilometer«, murmelte Fuller. »Ich weiß es nicht so genau, wie nah wir dem Tempel gekommen sind.« Der Tempel! In seiner Vorstellung sah er, wie dunkle Gestalten in diesem Moment Lucy auf einen Altar zerrten, um sie zu opfern…
Er zuckte leicht zusammen. Ein Stich knapp oberhalb des Fußgelenkes im Bein. Einen Augenblick lang glaubte er, etwas habe ihn dort gebissen. Aber das war unmöglich. Das Stiefelleder war selbst für die Zähne von Schlangen und den Stachel eines Skorpions zu hart. Es mußte eine nervliche Überreizung sein.
»Was ist los?« Nicvole war das Zuammenzucken nicht entgangen.
»Nichts«, murmelte Fuller. »Ich muß ständig an Lucy denken…« Er schloß die Augen.
Der holperige Pfad schien kein Ende zu nehmen.
***
Die messingfarbene Miniatur-Kobra, die ausgestreckt vielleicht Unterarm-Länge erreichte, zog sich wieder zurück. Sie ringelte sich zusammen. Es war schwierig gewesen, das zähe Leder zu durchdringen. Fast hätte sie es nicht geschafft. Die Zähne einer normalen Schlange wären nicht durchgedrungen, abgeglitten oder abgebrochen. Aber der Ssacah-Ableger war keine normale Schlange.
Der Ableger hatte sein Gift in die Blutbahn des Menschen gebracht. Dort wirkte es jetzt, und begierig sog der Ableger die Lebensenergie
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