0366 - Er kam aus der Tiefe
bewußt öffnete, die normalerweise verhinderten, daß seine Gedanken gelesen wurden. Aber der Bruder war nicht daran interessiert, sich diese Mühe zu machen.
Ohne tatsächlich telepathische Kräfte eingesetzt zu haben, stellte er fest: »Ihr habt recht, Majestät. Dieser Mann ist einer der Attentäter, die sich euch im Schutz der Unsichtbarkeit näherten. Glaubte er wirklich, mich täuschen zu können? Er ist schuldig.«
»Unsichtbarkeit? Daß ich nicht lache«, sagte Zamorra. »Vielleicht solltest du tatsächlich einmal meine Gedanken lesen, Bürschlein, dann wüßtest du…«
»Schweig. Du bist überführt«, fauchte der Bruder ihn an. »Majestät, ich erbringe Euch den Beweis.«
Er griff in jene Gürteltasche Zamorras, in der dieser den Dhyarra-Kristall aufzuheben pflegte.
Zamorra erschrak. Der Kristall war noch aktiviert! Wenn der Bruder ihn berührte und nicht stark genug parabegabt war, einen Dhyarra zweiter Ordnung zu benutzen, gab es gleich einen Wahnsinnigen hier im Raum! Dieses Schicksal aber wünschte Zamorra seinem größten Feind nicht.
»Vorsicht!« warnte er. »Nicht hineingreifen…«
Der Bruder lachte meckernd. »Seht, Majestät. Er fürchtet die Entdeckung.« Er fuhr mit der Hand in die Tasche -und förderte einen schmalen Ring zutage, in dessen Fassung ein kleiner blauer Stein funkelte.
Zamorra hielt den Atem an. Diesen Steinring hatte er niemals besessen! Den hatte ihm der Bruder mit einem Taschenspielertrick billigster Art zugedacht.
»Seht«, sagte der Bruder triumphierend. »Dies ist der Beweis, Majestät.«
»Ein Ring?« wunderte sich der König.
Der Bruder warf Wang Lee den Ring zu. »Setzt ihn auf, und dreht ein wenig an der Fassung. Dann werdet Ihr sehen, was geschieht.«
Mißtrauisch betrachtete Wang Lee den Ring. Er streckte ihn nur zögernd auf einen seiner Finger. Dann tat er, wie ihm geheißen.
Nichts geschah - außer daß der Mongole unsichtbar wurde.
»Dreht in die andere Richtung«, befahl der Bruder. Wang wurde wieder sichtbar. »Und was nun?« fragte er.
»Oh, er war unsichtbar«, erklärte der König. »Das ist in der Tat ein prächtiger Beweis.«
»Fragt doch mal den Bruder, woher er weiß, wozu dieser Ring dient«, sagte Zamorra wütend. »Er hat ihn mir eben zugesteckt…«
»Wir Brüder vom Blauen Stein benutzen diese Ringe zuweilen«, sagte der Bruder. »Beispielsweise, wenn wir beauftragt werden, untreuen Ehegatten nachzuspüren… dieser Mörder hat uns den Ring wahrscheinlich gestohlen.«
»Lügner«, rief Zamorra ihm zu.
Der Bruder errötete nicht einmal.
»Ich glaube es dennoch nicht«, sagte Wang. »Majestät, es liegt mir fern, mich für einen Fremden verwenden zu wollen. Aber ich bin von seiner Schuld nicht zu überzeugen. Ich bin doch nicht blind. Als das Attentat verübt wurde, ist er draußen an den Baikonen herumgeklettert.«
»Dafür gibt es keine Beweise…«
»Doch! Sein unbemerktes Erscheinen im oberen Stock und die Kutte, die auf dem Balkon des ersten Stockes lag…«
»… und die er vom oberen Balkon her dorthin geworfen hat«, ergänzte der Bruder.
»Aber nicht dorthin, wo wir sie fanden«, sagte Wang. »Ich bleibe dabei. Er ist es nicht.«
»So zweifelt Er die Worte eines Bruders an, der den Gefangenen selbst mittels der Magie befragte?« wunderte sich der König.
»Majestät, ich zweifele die Worte eines Dummschwätzers an«, sagte Wang unumwunden. Der Bruder fuhr wütend auf. »Das brauche ich mir von Euch nicht bieten zu lassen, Leutnant! Ich werde Eure Bestrafung fordern…«
»Ruhe! Man beleidige nicht Unsere empfindlichen Ohren mit niederem Streit«, befahl der König. »Wir stellen fest, daß die Schuldfrage nicht eindeutig geklärt ist, und Wir wollen uns nicht nachsagen lassen, den Kopf eines Unschuldigen vor dem Palasttor aufspießen zu lassen. Aber es bleibt der Tatbestand des unbefugten Eindringens in den Palast, und auch darauf steht der Tod. Nun, geköpft werden kann Er nur einmal, Fremdling, ganz gleich für welches Delikt. In den Morgenstunden wird das Urteil vollstreckt.«
»Ich protestiere«, rief Zamorra. Er sah sich um. Aber die Gardisten ließen ihm keine Chance. Er konnte weder fliehen noch einen Blitzangriff auf den König selbst starten, um mit ihm als Geisel aus dem Palast zu fliehen. Er wünschte sich die Druiden-Fähigkeit des zeitlosen Sprunges. Aber leider saß er hier im Palast fest. Sein Vorstoß war so gründlich danebengegangen, wie es nur hatte sein können.
»Auch ich protestiere,
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