0366 - Er kam aus der Tiefe
auch?«
»Was sonst? Wir werden ihn untersuchen lassen, ob sich Gift an der Klinge befindet.«
»Was?« fuhr Zamorra auf. »Gift? Für wen oder was hältst du mich?«
»Befehl von oben«, sagte Wang Lee gleichmütig. »Sicherheitsmaßnahmen. Bewege dich, Zamorra. Der König wartet nicht gern.«
Harte Fäuste stießen Zamorrra auf den Korridor hinaus. Er sah sich nach Wang Lee um. Aber das Gesicht des Mongolen blieb ausdruckslos.
***
Der murmelnde Gesang der Brüder vom Blauen Stein war längst verstummt. Niemand außer ihnen selbst wußte um die beabsichtigte Wirkungslosigkeit. Die Attentäter waren in Sicherheit, immer noch so unsichtbar wie zuvor. Dafür war der andere gefangen worden. Nicht ganz nach Plan, aber immerhin.
Sie konnten zufrieden sein.
Aber sie rührten sich nicht.
***
Der König wirkte jetzt gut zehn Jahre älter als am Mittag, als er durch die Stadt geritten war, aber Zamorra erkannte ihn sofort wieder. Es mochte an der flackernden Beleuchtung der Kristallüster mit den unzähligen Kerzen liegen, die ein fast schattenloses Licht warf, daß man die Falten in seinem Gesicht und den leichten Grauton seines Haares besser erkannte.
Er betrat den kleinen, schmucklosen Raum, in den man Zamorra gebracht hatte, musterte den Gefangenen knapp und ließ sich dann in einem riesigen Sessel mit weit vorspringenden Lehnen nieder. Er winkte dem Mongolen zu. »Man berichte«, forderte er.
»Dieser Mann fiel mir bereits bei unserem Marktbesuch am Mittag auf, Majestät«, sagte Wang und zeigte auf Zamorra. »Er interessierte sich sehr für Euren Gast, die ehrenwerte Sara Moon. Später geschahen seltsame Dinge. Jemand, der sich offenbar nicht im Palast auskannte, bewegte sich in einer Kutte der Brüder vom Blauen Stein. Ein Soldat erklärte, ihn auf den Balkon im ersten Stock geschickt zu haben, aber er sei dort abgestürzt. Doch wir fanden die leere Kutte auf dem Balkon. Nun, ich dachte mir meinen Teil und verhaftete ihn.«
»Wo geschah das?«
»Im Zimmer der ehrenwerten Sara Moon«, sagte Wang Lee.
»Er war also dort. Was wollte er da?«
»Majestät, ich bedauere, daß wir noch keine Gelegenheit hatten, den Mann einer Befragung zu unterziehen. Ich denke, er wird vorerst selbst reden müssen.«
Der König senkte die Brauen. Dann musterte er Zamorra.
»Nun, so nenne Er Seinen Namen und den Grund seines Hierseins. Rechtfertige Er sich, elender Bandit und Mörder.«
Zamorra seufzte. Seine Majestät schien trotz des Eindrucks, den er auf seine Untertanen machte, von der vorurteilsfreudigen Art zu sein. Zamorra neigte den Kopf. »Es gelang mir nicht, die ehrenwerte Sara Moon während des mittäglichen Ausfluges zu sprechen, und so suchte ich sie in Eurem Palast auf, Majestät«, sagte er. »Mein Name lautet Zamorra, aber das hätte Euch Wang ebenfalls sagen können. Er kennt mich und weiß, daß ich nichts Böses im Schilde führe. Es mag eher umgekehrt sein.«
»Was?« fuhren Wang und der König gleichzeitig auf.
»Daß die ehrenwerte Sara Moon unedle Absichten hegt«, sagte Zamorra trocken.
»So, so.« Der König rieb sich das Kinn. »Er wollte sie sprechen und suchte sie in Unserem Palast auf. Einfach so. Seine Frechheit ist kaum zu fassen. Was, glaubt Er hergelaufener Lump, hat Er wohl mit der edlen Dame zu schaffen, daß sie Ihn erhören müsse?« Auf die Anspielung, daß Wang Zamorra kenne, ging er erst gar nicht ein. Und Wang schien auch kein gesteigertes Interesse zu haben, ihn daran zu erinnern. Zamorra wurde aus dem Mongolen nicht schlau.
»Spare Er sich Seine Märchen für die Vögel des Himmels auf, wenn sie Ihm zuzuhören geneigt sind«, sagte der König. »Hat man Ihm nicht gesagt, daß Wir Attentäter hinrichten lassen? Unerwünschte und unbefugte Eindringlinge erleiden für gewöhnlich dasselbe Schicksal.«
»Eine interessante Praxis, deren Sinn mir nicht ganz eingeht, Majestät«, sagte Zamorra. Ihm wurde warm unter dem zerfetzten Wams. »Vielleicht solltet Ihr Euch einmal dafür interessieren, welches Haustierchen Eure edle Sara Moon sich hielt. Ich hatte ziemlich viel zu tun, mir das Biest vom Leibe zu halten. Vielleicht solltet Ihr Euch auch einmal dafür interessieren, was die Brüder…«
»Wer erlaubte Ihm, sein Maul zu öffnen?« fragte der König gelangweilt. »Wir sprachen von Attentätern und unbefugten Eindringlingen.«
»Majestät«, wandte Wang ein. »Vielleicht solltet Ihr ihn einmal ausführlich erzählen lassen.«
»Meint Er? Nun, schaden kann es nicht. Lauschen
Weitere Kostenlose Bücher