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0367 - Der Hexenbaum

0367 - Der Hexenbaum

Titel: 0367 - Der Hexenbaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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verspottete?«
    »Es gibt noch andere Gründe«, sagte Sonia heiser. »Richtig, ich bin ein hübsches Püppchen. Das weiß ich selbst nur zu gut. Aber ich stehe auf der Schattenseite. Ich werde nur ausgenutzt, und ich zweifele, ob ich die Kraft habe, mich mit meinen Mitteln aus dem Schatten zu befreien. Ich brauche mehr dazu. Ich brauche Magie. Ich will Dinge tun können, die andere nicht können. Ich will Macht haben, verstehst du? Macht über andere. Es soll mich niemand mehr ausnutzen können. Es soll niemand mehr über mich spotten.«
    »Du könntest auch so sehr viel Macht haben. Setz deinen Körper ein. Benutze ihn als Köder. Als Falle. Als Waffe. Und du hast Macht über die Männer.«
    »Das ist nur eine Hälfte der Menschheit«, sagte Sonia. »Ich will Macht über alle. Welche Frau würde sich von meinem Körper ködern lassen? Und was ist, wenn ich dreißig Jahre älter bin? Oder vierzig? Wenn ich faltig und welk werde? Auch dann will ich meine Macht noch ausüben können.«
    »Bis dahin bist du reich. Du hast Geld, alles und jeden zu kaufen.«
    »Willst du mich nicht verstehen?« Sonia beugte sich vor. »Ich will nicht kaufen, ich will herrschen! Ich will nicht nur für bunte Fotos posieren. Ich will nicht durch die Betten einflußreicher Männer zu geliehenem Einfluß kommen. Ich will besitzen und herrschen. Ich will ganz oben sein.«
    »Du willst niemanden anerkennen, der dich trotzdem beherrscht? Vor dem du auf die Knie fällst?«
    »Nein…«
    Sybil erhob sich. »Dann«, sagte sie, »wirst du mich in der Sekunde deines Todes Wiedersehen.«
    »Warte«, stieß Sonia hervor. Sie wurde blaß. »Geh nicht. Warte. Was meinst du damit? Ich soll trotz aller Hexenmacht mich beherrschen lassen.«
    »Satan gibt, und Satan nimmt«, sagte Sybil. Ihre Stimme klang tiefer als zuvor. »Satan verleiht Macht, und er nimmt dafür Unterwerfung. Wenn du dich nicht unterwerfen willst, hast du keine Möglichkeit, Macht zu erlangen. Du hast nichts verstanden, Sonia. Wer herrschen will, muß auch dienen. Selbst ein Regierungschef ist nur der Diener seines Volkes. Selbst ein Diktator ist abhängig von denen, die ihn auf dem Weg zur Macht gestützt haben. Lassen sie ihn fallen, wenden sie sich von ihm ab, fällt auch er, während sie längst einem anderen an die Spitze heben, um an seiner Macht teilzuhaben… Nun, du hast den Tod gewählt.«
    »Nein«, preßte Sonia hervor. »Nein. Ich…« Sie schluckte krampfhaft. Es fiel ihr schwer, sich durchzuringen. Aber der Tod war keine Alternative. Sie wollte leben. »Ich habe nicht den Tod gewählt. Ich wähle… die Unterwerfung. Hilf mir, Sybil. Du darfst mich nicht einfach töten. Willst du nicht eine Hexenschwester gewinnen?«
    »Was ich darf und was ich nicht darf, sagt mir Satan«, erwiderte Sybil spöttisch.
    »Dann… dann…« Sie unterbrach sich, rang nach Worten. »Sybil, was muß ich tun? Was muß ich tun, um eine von euch zu werden?«
    Sybil Ranix sah auf sie herab.
    »Du wirst Satan bitten müssen, dich am Leben zu lassen«, sagte sie. »Du wirst Näheres erfahren. Ich melde mich wieder bei dir.«
    Sie schritt davon. Sonia sah ihr verwirrt nach, wie sie über den Strand ging, mit wiegenden Hüften im hautengen Overall, den Reißverschluß inzwischen bis zum Nabel geöffnet. Sybil Ranix ging auf Männerfang. Und war es nicht mehr? War es nicht auch Seelenfang?
    Sonia beglich die Rechnung für sie beide und kehrte langsam und nachdenklich zu ihrem Wagen zurück, den sie im Halteverbot abgestellt hatte. Natürlich war der Wagen nicht mehr da. Man hatte ihn kurzerhand abgeschleppt. Zorn kochte in Sonia auf, aber sie suchte die Schuld nicht bei sich, sondern bei denen, die den Wagen entfernt hatten. Und sie wünschte sich einmal mehr, Hexenkraft zu besitzen, um Rache zu nehmen.
    War es das nicht wert, sich dem Teufel zu unterwerfen? Er war doch kein Mensch. Er war das Böse.
    Ja, sie war bereit, es zu tun.
    ***
    Der Kahlköpfige im grauen Anzug befand sich noch in San Francisco, als der Abend zu dämmern begann. Frisco war Amerikas Tor zur Welt und zugleich ein Schmelztiegel der Nationen. Von hier aus gab es Verbindungen nach überall hin, und der Mann begann nachzudenken, ob es nicht lohnenswert sei, hier eine Bastion des Bösen errichten zu lassen.
    Nicht nur kleine Gruppen von Teufelssekten, Hexen und Dämonengläubigen, sondern eine Schaltzentrale der Macht, wie sie in Florida und Chicago in Form der Rauschgiftsyndikate entstanden waren. Gerade der versteckte Drogenhandel,

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