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0367 - Der Hexenbaum

0367 - Der Hexenbaum

Titel: 0367 - Der Hexenbaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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ihre eigenen Wege, sie erfüllen keine meiner Bitten, denn sie mißtrauen mir immer noch. Aber… nein, es bleibt nicht viel Zeit. Wenn du eingreifen willst, mußt du es bald tun. Aber ich werde dich nicht zwingen.«
    Nicole betrachtete immer noch die sich wieder raubtierhaft bewegende Schwarzhaarige. »Wie sieht sie bekleidet aus?« fragte sie.
    »So«, sagte Amos. Plötzlich trug das Mädchen Rock, T-Shirt und Schuhe, ohne daß sich etwas an der Art ihrer Befwegungen veränderte. »So sieht sie jetzt aus. Vielleicht trägt sie morgen andere Kleidung.«
    Nicole senkte die Brauen. »Das Bild stimmte also nicht«, sagte sie. »Du hast es nach deinem Gutdünken und deinen Vorstellungen manipuliert. Wer sagt mir also, daß es überhaupt stimmt?«
    Amos lächelte.
    »Ich erlaube mir, alles für mich unwesentlich Erscheinende wegzulassen«, sagte er. »Oder zumindest fast alles. Es würde reichen, nicht den Körper, sondern die Seele zu betrachten. Möchtest du wissen, wie ich dich sehe?«
    Das Bild wechselte blitzschnell. Nicole sah sich selbst, zurückgelehnt in einem imaginären, unsichtbaren Sessel. »Das ist die äußere Erscheinung«, sagte Sid Amos. »Und das ist die Gestalt.« Die Kleidung der Abbildung verschwand wie fortgezaubert. »Und das ist die Seele«, erklärte Amos.
    Nicole schrie auf. »Nein…!« Das Bild flimmerte, dann blieb es beim Abbild der Gestalt. »Nein«, wiederholte Nicole langsam. »Laß das. Diese Spielchen mag ich nicht.« Ihr wurde bewußt, daß sie fast panische Angst davor empfunden hatte, das zu sehen, was Amos ihr zeigen wollte, und sie war nicht sicher, ob sie das Bild wirklich begriffen hätte. Sie war ein Mensch, und Menschen sind nicht dazu geschaffen, das zu begreifen, was Seele genannt wird. Amos gehörte zu einer vollkommen anderen Art von Geschöpfen. Er besaß ein vollkommen anderes Verständnis, das sich vom menschlichen Unterschied wie der Tag von der Nacht. Er vermochte eine Seele zu sehen und zu analysieren -oder was auch immer es war, das man für gewöhnlich Seele nennt, weil es keinen besseren Begriff dafür geben mag.
    »Nein«, sagte Nicole wieder. »Ich glaube, Gryf und Teri haben recht. Teufel bleibt Teufel, nicht wahr? Du hast zwar die Seiten gewechselt, auf denen du kämpfst, aber nicht deinen Charakter. Und auch nicht deine Methoden.«
    Sid Amos nickte.
    »Ich habe nie behauptet, zum Engel geworden zu sein«, sagte er. »Ich bin, wie ich bin. Es gibt nur einen, der es wirklich schafft, über seinen Schatten zu springen - Leonardo deMontagne, den Fürsten der Fisnternis. Und das auch nur, weil er seinen Schatten von sich lösen und in seinem Auftrag handeln lassen kann.«
    Er grinste wieder.
    Nicoles Bild erlosch. Amos zog die unsichtbaren Linien in umgekehrter Reihenfolge durch die Luft und löschte sie damit aus. Nicole atmete auf. In diesen Minuten war ihr Amos’ und Caermardhins Magie unheimlich geworden.
    Nicole brauchte einige Minuten, um ihre Ruhe zurückzugewinnen. Zu sehr hatte es sie aufgewühlt, beinahe mit einem sichtbar gemachten Abbild ihres Innersten konfrontiert worden zu sein. Sie hätte Amos dafür hassen können, aber makabre Scherze dieser Art gehörten zu seinem Naturell. Nein, er hatte sich wirklich nicht grundlegend geändert. Er hate nur seine Ansichten und Intentionen erneuert.
    »Du bist alarmiert worden«, sagte sie schließlich. »Wie funktioniert das? Was löst diesen Alarm aus? Warum bist du ausgerechnet auf die Schwarzhaarige aufmerksam geworden, warum nicht auf eine Million anderer Menschen, die möglicherweise kriminelle Neigungen besitzen und für eine Bedrohung sorgen? Wonach wird ausgewählt?«
    »Ich weiß es nicht«, gestand Amos. »Das ist eines der wenigen Dinge, die sich meinem Begreifen entziehen. Ich bin eine geistige Verbindung eingegangen mit den magischen Mechanismen, die beobachten und überwachen. Es hätte auch sein können, daß mir auf diese Weise eine Gefahr gemeldet worden wäre, die beispielsweise der russischen Raumstation durch einen heranrasenden Meteoriten drohen könnte. Oder Umweltkatastrophen. Ich kann es selbst nicht kontrollieren. Etwas richtet meine Aufmerksamkeit auf ein Ziel, und ich sondiere es dann, wie es vor mir Merlin getan hat - und möglicherweise vor ihm ein anderer. Merlin benutzte die Bildkugel. Ich habe eine andere Art der Magie. Mehr weiß ich nicht.«
    Nicole nickte. Sie akzeptierte sein Unwissen. Er hatte wahrscheinlich auch gar kein Interesse daran, diese Mechanismen zu ergründen.

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