037 - Die seltsame Gräfin
Raum werfen können und war begierig, das Zimmer näher kennenzulernen, in dem die Gräfin so viele Stunden mit ihren Legespielen zubrachte. Aber vor allem wollte sie das versteckte Mikrophon entdecken, das Lord Moron dort angebracht hatte.
Es war ein schöner Raum, nicht allzu hoch, aber langgestreckt. Er reichte von der Wand des Empfangszimmers vorn im Haus bis zu einem kleinen Abstellraum, der den häßlichen Hof auf der Rückseite des Gebäudes verdeckte. Alle Wände waren mit Bücherschränken verstellt, außerdem befand sich noch ungefähr ein Dutzend Aktenschränkchen hier, in denen die Gräfin alle Andenken aufhob, die sie im Laufe ihres langen Lebens gesammelt hatte: Theaterprogramme, Zeitungsausschnitte und Briefe.
Die meisten Menschen hätten keinen Wert darauf gelegt, solche Papiere aufzuheben, aber Lady Moron war eine methodische Frau und scheute davor zurück, irgend etwas zu vernichten. Das erzählte sie auch Lois, als sie ihr den Raum zeigte.
Als Lois wieder allein war, untersuchte sie die ganze Bibliothek sorgfältig, ohne jedoch das verborgene Mikrophon oder die Drahtleitung zu entdecken. Sie fand, daß eine Abteilung eines Bücherschranks durch eine mit feinem Drahtgewebe überzogene Sicherheitstür verschlossen war. Sie konnte aber deutlich die Titel der Bücher sehen und war überrascht über diese Vorsichtsmaßregeln, die die Lektüre dieser Bücher verhindern sollten. Die Bücher waren von der unschuldigsten Art, und sie nahm an, daß es vielleicht früher anders gewesen war.
Als sie ihre Arbeit beendet hatte, ging sie an den Schränken entlang, betrachtete die Bücher, nahm eins nach dem anderen heraus und durchblätterte es, um sich zu unterrichten.
Plötzlich kam Braime herein, und sie sah sofort, daß irgend etwas Besonderes vorgefallen war. Sein Gesicht zuckte. Offenbar war er furchtbar erregt, aber es gelang ihm, sich zu fassen.
»Würden Sie bitte in den Speisesaal gehen, Fräulein? Dort ist ein Herr, der Sie sprechen möchte.«
»Ein Herr? Wer ist es denn?«
»Ich kenne seinen Namen nicht. Aber wenn er noch nicht dort sein sollte, so warten Sie bitte auf ihn.«
»Aber wer ist es denn, Braime? Hat er Ihnen seinen Namen nicht genannt?«
»Nein, gnädiges Fräulein.« Seine Hände zitterten, und in seinen Augen lag ein ganz fremder Ausdruck.
»Im Speisesaal?« fragte sie noch einmal, als sie hinausging.
»Jawohl, Fräulein.«
Sie schaute sich noch einmal um und war erstaunt, daß er ihr nicht folgte. Der Speisesaal war leer, sie fand dort nur ihre Zofe. Das Mädchen staubte ab und wunderte sich, daß Lois hereinkam.
»Braime sagte, daß mich ein Herr sprechen wolle.«
Das Mädchen schüttelte den Kopf.
»Ich weiß nichts von einem Herrn, Fräulein. Aber ich weiß etwas anderes«, sagte sie böse. »Braime ist kein anständiger Mensch. Ich habe ihn gerade dabei ertappt, wie er aus dem Schlafzimmer der Gräfin kam, und ich will es ihr nachher sagen. Er ist ein hinterlistiger Schnüffler -«
»Bitte, sehen Sie nach, wer mich sprechen möchte. Vielleicht wartet der Herr in der Halle.«
Die Zofe ging hinaus und kam bald wieder zurück.
»Es ist niemand da, Fräulein. Der Diener sagte, daß kein Besuch gekommen ist, seit Dr. Tappatt fortging. Mr. Praye ist mit der Gräfin im Salon.«
Was sollte das bedeuten? Lois runzelte die Stirn. Braime hatte sie nur aus dem Raum entfernen wollen! Sie eilte zur Bibliothek zurück und öffnete die geschlossene Tür.
»Braime -«, begann sie und hielt plötzlich entsetzt ein.
Der Butler lag still und bewegungslos in der Mitte des Fußbodens auf dem Rücken. Sein kreidebleiches Gesicht war verzerrt und seine Lippen verkrampft.
16
Zuerst wollte sie fortrennen, aber dann siegte das Mitleid in ihr. Sie kniete an Braimes Seite nieder und löste seinen Kragen. War er tot? Sie bemerkte kein Lebenszeichen an ihm, er atmete nicht. Seine Hände waren erhoben, als ob er einen unsichtbaren Feind fassen wollte, aber sie waren steif und bewegungslos. Lois lief zur Tür hinaus und rief das Mädchen.
»Telefonieren Sie sofort nach einem Arzt! Braime ist schwer krank«, sagte sie atemlos und eilte die Treppe hinauf.
Lady Moron war mitten in der Unterhaltung mit ihrem Besuch begriffen, aber als sie das Mädchen sah, kam sie eilig durch das Zimmer.
»Was ist geschehen?« fragte sie mit leiser Stimme.
»Braime«, sagte Lois atemlos. »Ich fürchte, er ist tot.«
Die Gräfin folgte ihr schnell die Treppe hinunter. Einen Augenblick stand sie in der Tür
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