037 - Die seltsame Gräfin
Michael lächelnd. »Es ist gut, wenn Sie ihn jetzt so schnell wie möglich ins Krankenhaus bringen. Verzeihen Sie mir, daß ich Ihnen vorgegriffen habe, aber ich habe früher schon einmal einen solchen Fall erlebt.«
»Was ist es denn?« fragte der erstaunte Arzt, als der Butler auf die Bahre gehoben und aus der Bibliothek getragen wurde. »Ich dachte, er hätte einen Schlag bekommen.«
»Ja, es war ein Schlag, aber ein sehr böser«, entgegnete Michael grimmig.
Er folgte den Krankenträgern nicht, sondern zog sein Jackett an, ging in dem Raum umher und schaute sich überall um. Er betrachtete die Decke, den Fußboden und ließ seine Blicke über den Bibliothekstisch schweifen.
»Er fiel etwa zwei Meter vom Tisch entfernt hin«, sagte er. Dabei zeigte er auf einen Wasserflecken im Teppich. »Soll ich Ihnen einmal sagen, wo seine Füße lagen? Man hatte ihn nämlich schon von dort weggeholt, als ich kam.«
»Lady Moron wird es vorziehen, die Sache mit der Polizei zu besprechen, wenn die Beamten kommen«, sagte Chesney Praye gehässig. »Sie haben kein Recht, sich hier aufzuhalten - das wissen Sie doch, Dorn?«
»Will mir nicht jemand sagen, wo seine Füße lagen?«
Lois zeigte es ihm.
»Er lag quer im Raum.«
»Ja, das stimmt.« Dorn strich sich verwundert über das Kinn. »Sie waren doch nicht hier, als es passierte, Miss Reddle?«
»Ich verbiete Ihnen, irgendwelche Fragen zu beantworten«, sagte die Gräfin zu ihrer Sekretärin. »Ich stimme Mr. Praye vollständig bei, daß diese Angelegenheit Außenstehende nichts angeht. Meinen Sie, daß man einen Angriff auf den Mann machte?«
»Ich habe nichts Derartiges gesagt«, entgegnete Dorn, und seine Blicke suchten wieder Lois' Augen. »Sie haben ja eine Menge Unglücksfälle hier erlebt, Miss Reddle?« fragte er höflich. »Wenn ich an Ihrer Stelle wäre, würde ich in die Charlotte Street zurückgehen, dort wohnen Sie sicherer. Als ich sah, wie der Krankenwagen vor der Tür hielt, hätte ich beinahe einen Herzschlag bekommen, denn ich dachte, Sie wären das Opfer.«
Die Gräfin ging zur Tür und öffnete sie etwas weiter.
»Wollen Sie jetzt bitte gehen, Mr. Dorn - Ihre Gegenwart ist nicht erwünscht, und Ihre Andeutung, daß eine Person in meinem Haus sich in der geringsten Gefahr befindet, beleidigt mich -« Sie schaute Mr. Praye an. »Und auch meinen Freund.«
»Dann wäre es besser, wenn Mylady sich einen anderen Freund aussuchten«, sagte Dorn in guter Laune. »Und damit Sie nicht denken, daß ich den feinfühligen Mr. Chesney Praye durch meine Vermutungen verletze, will ich Ihr Gemüt erleichtern. Es gibt nämlich zwei Dinge, die Chesney übelnimmt - erstens möchte er nicht gern Geld verlieren, und zweitens möchte er nicht daran gehindert werden, sich Geld anzueignen, das ihm nicht gehört. Kann ich Sie einmal allein sprechen, Miss Reddle?«
»Ich verbiete -«, begann die Gräfin.
»Kann ich Sie sprechen?«
Lois zögerte, nickte dann und ging vor ihm aus dem Raum. In der Halle sagte er ihr seine Ansicht.
»Ich erwartete nicht, daß die Unglücksfälle so dicht aufeinanderfolgen würden, seitdem Sie in dieses Haus gekommen sind«, sagte er. »Ich habe nur meine Einwilligung gegeben, daß Sie hierherkamen, weil ich dachte, daß -«
»Sie haben Ihre Einwilligung gegeben?« Sie machte große Augen und wurde plötzlich rot vor Ärger. »Bilden Sie sich etwa ein, Mr. Dorn, daß ich Ihre Zustimmung brauche?«
»Es tut mir leid«, sagte er bescheiden. »Ich habe mich falsch ausgedrückt. Aber meine Nerven sind etwas in Unordnung geraten. Aber nachdem Sie diese vergiftete Schokolade zugesandt erhielten, mußte ich Ihnen sagen -«
Sie wurde blaß.
»Vergiftet?« flüsterte sie.
Er nickte.
»Ja - sie war mit Blausäure vergiftet. Ich bin nur deshalb nachts in ihr Zimmer gekommen, um sie wegzunehmen. Als ich vor ein paar Minuten hier ankam, war ich starr vor Schrecken, denn ich erwartete, Sie tot aufzufinden.«
»Warum interessieren Sie sich für mich?« fragte sie.
Er wich ihrer Frage aus.
»Wollen Sie nicht dieses Haus sofort verlassen und in die Charlotte Street zurückkehren?«
»Ich kann nicht vor morgen weggehen - ich habe Lady Moron versprochen, daß ich bei ihr bleiben werde, und ich bin sicher, Mr. Dorn, daß Sie sich irren. Wer hätte mir denn vergiftete Schokolade schicken sollen?«
»Wer hätte versuchen sollen, Sie mit einem Auto zu überfahren?« fragte er dagegen. »Sehen Sie dies -« Er nahm einen kleinen Stoffstreifen aus seiner
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