0373 - Echsenmenschen greifen an
Rings um die Schrumpferde breitete sich das Chaos aus. Die Ränder verströmten sich im Nichts. Die Temperaturen sanken. In den letzten hundert Jahren waren die Durchschnittswerte um eineinhalb Grad gefallen. Die Priesterschaft der Kälte war entstanden, die sich mit diesem Phänomen befaßte und behauptete, gegen die schleichende, aber stetige Erhöhung der Entropie anzukämpfen. Gerade damit vermochten sie die Sauroiden zu fesseln, die die Wäre brauchten. Wenn die Temperaturen weiter sanken, weiter im Chaos des Nichts verströmten, würde irgendwann das Leben erlöschen. Und zwar noch bevor der Rest der Welt sich ebenfalls im Chaos verlor.
Es fehlte das stabilisierende Element der Wahrscheinlichkeit. Das immerhin hatten Forscher schon vor Jahrtausenden erkannt, als sie zum ersten Mal andere Existenzebenen entdeckten, die eine ähnliche Entwicklung aufwiesen, aber in sich wesentlich stabiler waren. Dann aber waren die Kontakte abgerissen, als die Welt der Sauroiden sich immer weiter von den anderen Wahrscheinlichkeiten entfernte. Jemand hatte die Behauptung aufgestellt, es dürfe ihre Welt überhaupt nicht geben. Die Entwicklung wäre im Universum zu einmalig und deshalb unter allen Milliarden von sich ähnelnden Möglichkeiten zu unwahrscheinlich. Deshalb würde sie mehr und mehr zerfallen, bis sie schließlich gänzlich ausgelöscht werde und den Wert Null erhielte.
Jeder, der über diese Erscheinungen nachdachte, mußte zu der Erkenntnis kommen, daß das Weitende erst in Jahrhunderttausenden kommen würde - bis dahin lebte keiner der Jetzigen mehr. Trotzdem war da die Angst, die furchtbare Angst vor der Auflösung, vor dem Erlöschen der Existenz. Und die Priesterschaft der Kälte verstand es hervorragend, gerade diese Angst zu nähren und versprach dabei, mit den eigenen Methoden der Forschung einen Weg zu finden, den Prozeß umzukehren. Niemand anderes könne dies, weil nur die Priesterschaft sich so intensiv mit dem allmählichen Wärmeverlust und dem Ansteigen der Entropie befasse.
In der Tat hatte es Experimente gegeben, vor allem unter der Führung Gatnors, aber sie waren bislang alle fehlgeschlagen. Seit vor mehr als tausend Jahren der letzte Kontakt zu einer anderen Welt abgerissen war, hatte es niemand mehr geschafft, ein neues Tor entstehen zu lassen.
Bislang hatte auch noch niemand der Priesterschaft der Kälte vorwerfen können, mit ihren fehlgeschlagenen Experimenten die Entropiesteigerung beschleunigt zu haben. Aber nach allen Erkenntnissen bestand diese Gefahr, und sie wurde mit jedem Versuch größer.
Es war eine Wissenschaft für sich, die kaum jemand begriff, weil sie auch durch die Priester mit allerlei Glaubenslehren vermengt wurde, so daß alles untrennbar voneinander wurde. Das schien der Sinn der Sache zu sein, aber bedeutete es nicht auch, daß das Chaos die Kälte-Priester und ihre Lehren längst beherrschte?
Die Logik versagte hier.
Oder sie hatte bereits unter dem Druck des Chaos andere Gesetzmäßigkeiten angenommen.
Wie dem auch sei - Reek Norr sah in den Machenschaften der Priesterschaft eine Gefahr, und er stand mit dieser Ansicht nicht allein.
Gatnors überhebliches Grinsen konnte ihn nicht provozieren. Er versuchte die Gedanken des Priesters zu lesen, aber der schirmte sich ab.
»Du wolltest hier mit mir sprechen, Norr«, sagte Gatnor. »Ich bin hier. Also?«
Er schmatzte selbstzufrieden.
»Wo hast du das Weltentor entstehen lassen?«
»Ich? Du überschätzt mein Können, Norr«, sagte Gatnor. »Wir alle haben es mit vereinten Kräften geschafft, aber ohne die geistige Energie des Freiwiligen, der seine Existenz uns allen schenkte und nun für immer die Segnungen der Ewigen Wärme genießen darf…«
»Erspare mir dein närrisches Geschwätz«, fauchte Norr ihn an. »Ich habe dir eine Frage gestellt und erwarte, daß du sie mir beantwortest! Oder solltest du schon in deinen eigenen Irrlehren so gefangen sein, daß du klare Fragen nicht mehr verstehst?«
»Oh, eines Tags wirst du auch begreifen, daß nur die Wissenschaft der Kälte…«
»Antworte!« fauchte Norr. »Sofort!«
»Nun gut.« Gatnor ging zur Karte. Sie zeigte die Ausdehnung der Welt, deren Ränder verwaschen blieben. Niemand konnte genau sagen ob bestimmte Bezirke noch existierten, oder wie lange sie noch bstehen würden. Zuweilen kamen auch wieder Regionen hinzu, während andere schwanden. Nichts war von Bestand, alles unterlag ständigem Wandel. Das Problem war die chaotische
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