0375 - Die Mörder-Druidin
zu einem hohen Turm häufte, jede Menge Papier, Filzschreiber und ein Schreibcomputer sowie zwei Telefone. Der Computer gehörte zur Fünftausend-Dollar-Klasse, wie Zamorra beim zweiten Hinsehen erkannte. Das Ding konnte sich wohl mit der Hauptredaktion in der Hauptstadt zusammenschalten lassen und ersparte zeitraubende Kleinarbeit wie Versand von Manuskripten, telefonischen Rückfragen und bestimmt ein Dutzend Arbeitsplätze.
»Setzen Sie sich. Wasser, Coke, Saft, Tee, Kaffee? Alkohol habe ich leider nicht im Hause.«
»Kaffee«, erbat Zamorra. »Wenn es nicht zuviel Mühe macht.« Während der Redakteur in einem anderen Zimmer verschwand, fahndete Zamorra nach einer Sitzgelegenheit. Schließlich räumte er einen Stapel druckfrisch riechender Zeitungen von einem Hocker und machte es sich inmitten des Tohuwabohu so bequem, wie es nur eben möglich war. Es war nicht sehr viel möglich.
Nach ein paar Minuten kam der Redakteur wieder zurück, nach wie vor in ausgeblichenen Jeans und einem fleckigen T-Shirt, nur trug er diesmal eine Pfeife zwischen den Lippen spazieren. Er plazierte eine Tasse mit schwarzem Kaffee vor Zamorra auf den Schreibtisch.
»Irgendwann schmeiße ich meine Tipse raus und mache die Arbeit allein«, sagte er. »Wenn sie doch einmal ihre Zigarettenasche und die leeren Schachteln wegwerfen würde.«
»Sind die alle von heute?« staunte Zamorra.
»I wo. Die ganze Woche geht das schon so.« Er sog an seiner Pfeife, die genau in eine Zahnlücke paßte, wie Zamorra alsbald feststellte. »Vorweg eines - ich bin nicht bestechlich. Hier haben Sie Ihren Lappen wieder.« Er knüllte den Schein etwas zusammen und warf ihn Zamorra zu. Der fing ihn auf, glättete ihn und verstaute ihn wieder neben den anderen.
»Warum haben Sie ihn dann angenommen?«
»Um Sie nicht schon an der Tür zu verblüffen. Und bevor Sie fragen, warum ich Sie erst nach dem Trick mit dem Schein ’reingelassen habe: erst da wußte ich, daß Sie tatsächlich ein ernstes Anliegen haben. Raus damit.«
»Ich suche diese Joyce Martins«, sagte Zamorra. »Die Historikerin. Und ich möchte wissen, ob Sie mir etwas über Hegete He und seinen Schatz sagen können.«
»Ach, Sie meinen die Verrückte aus England. Die will sich den Schatz doch nur unter den Nagel reißen. Entweder für sich privat, oder fürs Britische Museum.«
»Gibt es diesen Schatz denn, Monsieur Krel?«
»Sie glaubt daran, und ihre beiden Bodyguards auch.«
»Sie hat Leibwächter?«
»Assistenten nennt sie sie. Die beiden Muskelmänner. In jeder Tasche mindestens eine Zimmerflak. Widerlich, so etwas. Ich frage mich, ob es in den Häfen und Flughäfen überhaupt keine Kontrollen mehr gibt. Und was wollen Sie? Wollen Sie ihr den Schatz abjagen und ihn in einem französischen Museum oder in Ihrem eigenen Safe deponieren?«
Zamorra schüttelte den Kopf.
»Der Schatz interessiert mich nicht. Wer viel Geld und Gold hat, hat auch viele Diebe, die ums Haus schleichen. Mich interessiert erstens die Frau, weil sie einer ähnlich sieht, die ich kenne, und mich interessiert Hegete He.«
»Na dann viel Spaß«, brummte Krel. »Lassen Sie Ihren Kaffee nicht kalt werden. Die Frau ist verrückt. Sie läuft einem Hirngespinst nach. Hegete He hat es nie gegeben. Wie sie seine Lebensgeschichte nachprüfbar niederschreiben will, ist mir ein Rätsel. Aber die Engländer haben ja alle einen Spleen, wissen Sie. Es gibt Leute, die behaupten, Hegete He wäre ein mächtiger Medizinmann gewesen, der von seinem Stamm verstoßen wurde, weil er mit portugiesischen Piraten zusammenarbeitete, und er soll einen Teil seines Stammes in die Sklaverei verkauft haben. Als der Häuptling das erfuhr, hat er ihn zum Teufel gejagt. Danach zog Hegete He durch die Welt, erzählt man. Er schleppte seine Schätze mit sich, die er durch seine Bündnisse mit den Portugiesen und den Sklavenhändlern erhielt, und versteckte sie anschließend in einer Höhle hier in den Bergen. Danach hat man nie mehr etwas von ihm gehört. So erzählen die Leute. Aber es hat diesen Hegete He niemals gegeben. Er ist ein Fantasieprodukt.«
»Woher wissen Sie das?«
»Diese Engländerin hat mich irre gemacht. Sie war dermaßen überzeugt von seiner Existenz, daß ich fast schon selbst dran glaubte. Ich bin dann zu dem Massai-Stamm gereist, dem er entstammen soll. Ich bin erst vorgestern zurückgekommen und habe dann diesen Artikel hier abgefaßt. Die ganze Sache war ein Windei und meine Reise nicht wert. Die war umsonst. Die
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