0375 - Die Mörder-Druidin
daß die Zeit noch nicht ganz reif war. Zu sehr lagen noch die Schatten anderer Ereignisse über ihm.
»Geh ihm nach«, sagte der Fürst der Finsternis. »Ich bin gezwungen, ihm meine Krieger zur Verfügung zu stellen, aber ich will wissen, was er mit ihnen vorhat. Und…«
Wang nickte. »Ich verstehe, Herr. Beobachten, Informationen sammeln, Sehwachpunkte suchen. Und notfalls die Falle manipulieren — entweder gegen Zamorra, daß es ihn tatsächlich endlich erwischt, oder, falls Eysenbeißens Plan keine Chance auf Erfolg hat, gegen ihn, so daß man es ihm als Versagen anlasten kann.«
Leonardo deMontagne nickte.
Der Mongole verneigte sich und ging. Dies war einer der Aufträge, den er ohne Widerwillen durchführte - es ging gegen seinen Feind Eysenbeiß. Um Zamorra machte er sich weniger Sorgen. Der Meister des Übersinnlichen war bislang noch aus jeder Falle entwischt. Wang würde kaum eingreifen müssen.
Kurz blieb er stehen.
So ändern sich die Zeiten, dachte er. Einst haben wir uns bekämpft. Jetzt spiele ich den Höllischen den Kampf nur noch vor…
Und es würde der Tag kommen, da er auch das nicht mehr zu tun brauchte, weil er dann nicht mehr mit der Hölle verbunden war.
Er paßte einfach nicht hierher.
***
Eysenbeiß wählte vier von den Skelett-Kriegern aus der untoten Armee des Fürsten der Finsternis aus. Die, Knöchernen in ihren Rüstungen rekrutierten sich aus Kämpfern aller Völker und Nationen, die seit Bestehen der Welt gekämpft hatten und dabei der Hölle anheimfielen. Mordende, plündernde, brandschatzende, schändende Landsknechte aus dem Dreißigjährigen Krieg, aus den Eroberungsfeldzügen antiker Völker, aus steinzeitlichen Horden, von modernen Kriegsschauplätzen… es gab unerschöpflichen Nachschub. Wurde ein Knochenkrieger zerschmettert, rückte sofort ein anderer in den Heerscharen Leonardo deMontagnes nach - vielleicht war es gar derselbe, der erneut in das Rad der Qualen geflochten wurde. Sie waren leicht zu besiegen, diese skelettierten Kämpfer, aber ihre große Masse machte sie zu einem gefürchteten Heer. Viel zu selten allerdings machte Leonardo von diesem Heer oder seinen Teilen Gebrauch. Die Knöchernen waren ihm selbst zuweilen nicht so ganz geheuer…
Wang Lee Chan benutzte sie als Trainingspartner im Schwertkampf. Er zertrümmerte sie, brauchte keine Rücksicht zu nehmen, denn sie waren ja längst tot.
Und jetzt suchte Eysenbeiß einige von ihnen aus. Er traf seine Wahl willkürlich aus der Menge der vorrätigen Krieger. Sie stehen da wie Roboter, dachte Wang. Roboter, die darauf warten, daß man sie einschaltet und die dann stur ihrem Programm folgen.
Eysenbeiß »programmierte« sie.
Wang, der aus sicherem Abstand beobachtete, ohne daß Eysenbeiß ihn bemerkte, konnte nicht erkennen, welche Befehle Eysenbeiß den Kriegern erteilte. Aber dann rekrutierte der Maskierte noch einmal zwei weitere Krieger, die er offenbar als Reserve einsetzen wollte.
Er führte sie aus den Schwefelklüften hinaus in eine Höhle auf der Erde. Eine Höhle, in der es von Schätzen wimmelte, wo Gold und Diamanten blitzten, wo der Fackelschein sie traf. Die vier ersten Skelett-Krieger polterten in der Höhle umher und sanken hier und da nieder, gerade so, als seien sie dort gestorben. Die beiden anderen blieben im Dunkel eines Ganges zurück, der weiter in die Tiefe des Berges und von dort aus geradewegs in die Hölle führte.
Wang Lee Chan glitt in die Dunkelheit einer Felsenspalte, als Eysenbeiß zurückkehrte. Der Herr der Hölle ging an ihm vorbei, ohne ihn zu sehen. Die Skelett-Krieger konnten ihre Aufgabe auch erfüllen, ohne daß ihr oberster Befehlshaber sich in der Nähe befand.
Wang wartete ab. Er war gespannt, was geschehen würde. Würde Zamorra den Skeletten in die Falle gehen?
Und - würde er überhaupt von nur vier oder sechs Skeletten zu überwältigen sein? Wang hielt das für äußerst fraglich.
***
»All right«, sagte Joyce Martins. »Dann also los.« Sie nahm die starke Stablampe auf, die sie sich mit einer langen Kordel um den Hals hängen konnte, um die Hände frei zu haben, und setzte sich in Bewegung. Sie wußte, ohne daß sie sich umzuschauen brauchte, daß die beiden Männer ihr folgten.
Lou Bellamy und Bud Freytag, die zur selben Fakultät der Oxford-Universität gehörten wie Joyce Martins. Sie waren ihre Assistenten, und sie hatten sich zugleich vorgenommen, ein wenig auf ihre Chefin aufzupassen. Joyce versuchte hier zwei Fliegen mit einer Klappe
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